Bryan hört Musik Mensch des Monats

Auf den Flügeln der Zeit fliegt die Traurigkeit davon

Ehrlich, mit dieser Überschrift hat der Papi mich heute wundervoll beschenkt und überrascht. Bevor nun auch Ihr in den Träumen der Vergangenheit schwelgt: Der schöne Satz stammt aus einer Fabel des französischen Schriftstellers Jean de La Fontaine (1621 bis 1695) und hat einerseits mit der folgenden Geschichte nichts zu tun. Aber andererseits bin ich damit bereits mittendrin!

Mal sehen, ob ich den Papi heut wieder zu einer Benny-Neyman-Session überreden kann …

Liebe Freunde, vor ziemlich vielen Jahren und lange vor meiner Zeit hatte ein niederländischer Sänger namens Benny Neyman mit seinen gefühlvollen Liedern den Papi begeistert. Zum Beispiel mit „Dann ruf ich wieder Deinen Namen“, „Wenn Du einmal von mir gehst“ „Scherven van je leven“ und „Of ik je terug zal zien“ (diesen Song habe ich Euch seinerzeit in der deutschen Version mit Vicky Leandros als Sängerin vorgestellt). Auf Benny Neyman aufmerksam gemacht hatte den Papi die vermutlich vierte seiner großen Lieben; das war unterhalb des Patscherkofels (einem der Hausberge der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck) geschehen und ist weiß Gott eine andere Geschichte. Ihr solltet einfach nur wissen, dass die wunderbar weiche Stimme von Benny Neyman damals Papis Leben viele Monate lang intensiv und inspirierend begleitet hat. Fast hätte der Papi deswegen noch Niederländisch gelernt … Jene frühen Jahre vergingen, irgendwann entschwand Papis damalige Liebe nach Norden und seine Innsbrucker Zeit und sogar der Benny gerieten nahezu in Vergessenheit. Eines viel späteren Tages verliebte sich dann Euer Bryan in Benny Neymans Timbre. Nun legte der Papi vor allem mir zuliebe die alten CDs wieder ein. Doch als er neulich aus einer melancholischen Stimmung heraus nach schönen neuen Liedern von Benny suchte, da wurde es plötzlich auch bei uns in der Bärenrunde … ganz still. Denn bereits am 7. Februar 2008 war Benny Neyman 56-jährig in Soesterberg einem Krebsleiden erlegen. Niemals mehr also wird es neue Lieder des sympathischen Sängers und Texters geben. Im Folgenden sei liebevoll an ihn erinnert!

Geboren wurde Wilhelmus Albertus (deswegen: Benny) Neyman am 9. Juni 1951 in Maastricht, der Hauptstadt der niederländischen Provinz Limburg. In dieser alten Stadt wuchs Benny in einer Bergarbeiterfamilie auf. Mit sechs Jahren bekam er am Nikolaustag eine Gitarre geschenkt. Während seine Freunde Fußball spielten, übte der eher ruhige und unauffällige Junge fleißig Gitarre und versuchte, die im Radio gehörten Lieder nachzuspielen und nachzusingen. Als Jugendlicher verehrte er den belgischen Musiker Salvatore Adamo; später hörte er vorzugsweise die Musik englischer Pop-Bands. Schon als Heranwachsender hatte Benny sogar eine eigene Band, The Crew! Sein Religionslehrer, der Jesuitenpater Wim Buys, erkannte Bennys künstlerisches Talent und förderte es. Wohl nur deswegen konnte Benny nach seiner Schulausbildung um 1970 herum an die Akademie voor Kleinkunst in Amsterdam gehen. Dort eröffnete sich dem Jungen aus der Provinz eine völlig neue Welt. Er meisterte alle Herausforderungen und bekam vier Jahre später sein Abschlussdiplom. Und er wusste jetzt endgültig: „Ich will Sänger werden!“

Auch ich war einmal jung – und mit Bennys Mähne wäre glatt ein kleiner Löwe aus mir geworden!

Doch weit war der Weg nach oben: Von seiner ersten Langspielplatte „Ik wilde als Orpheus zingen“ 1974 wurden nur wenige hundert Stück verkauft! Erst in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre gelang ihm mit chansonartigen Liedern verschiedener Interpreten langsam der Durchbruch. Diese Coverversionen etwa von Reinhard-Mey- und Stephan-Sulke-Titeln übersetzte er stets selbst in seine Muttersprache. Wenn Benny damals an sich zweifelte, gab ihm sein junger Plattenproduzent Bart van der Laar neues Selbstvertrauen – doch der wurde erst 36-jährig im November 1981 ermordet. Seinen ersten Hit landete Benny Neyman 1980 mit „Ik weet niet hoe“; 1985 erreichte er mit „Waarom fluister ik je naam nog“ den ersten Platz der niederländischen Hitparaden. 1983 veröffentlichte Benny sein erstes deutschsprachiges Album „Skizzen“, zwei Jahre später erschien dann sein hierzulande größter Erfolg: „Dann ruf ich wieder Deinen Namen“ (die deutsche Fassung von „Waarom fluister ik …“). Es wundert mich direkt, dass ich beide Sprachversionen dieses Liedes nicht längst in meiner Liedertruhe vorgestellt habe. Vielleicht nähme es der Papi einfach zu persönlich – wer weiß, wie viele Namen aus seinem Mund dann wieder durch die Nacht schallen würden … Mir gefällt halt, dass in den Niederlanden nur geflüstert und nicht gerufen wird! In deutscher Sprache kamen noch drei weitere CDs heraus, 1987 „Laß mich träumen“, 1994 „Und ewig ruft die Liebe“ sowie 1997 die Zusammenstellung „Dann ruf ich wieder Deinen Namen“.

In seinem Heimatland machten im Lauf der Jahre auch zahlreiche erfolgreiche Tourneen Benny Neyman bekannt. Wie sein großes Vorbild, der ebenfalls viel zu früh verstorbene holländische Kabarettist und Sänger Wim Sonneveld (1917 bis 1974), trat Benny dabei meist vor kleinem Publikum in Theatern auf. Für Anerkennung sorgten auch seine anrührenden Duette, unter anderem mit Bonnie St. Claire („Verder valt ’t wel mee“), Conny Vandenbos („Dwalen“) und in englischer Sprache mit Toni Willé (das ist die Sängerin der berühmten Band Pussycat„Oh, how I miss you tonight“). Ach, es ist so schade, dass man Benny in Deutschland oft auf seine Schlager „Ich bin mit meinen Sorgen nach Rhodos geflogen“ oder „Im Himmel darf man sich nicht küssen“ reduziert! Außerdem fürchte ich, dass auch mein kleiner Beitrag an seinem Fast-vergessen-Sein nichts ändern wird. Zugegeben, wirklich große Hits hatte Benny Neyman nur wenige, obwohl er insgesamt rund 400 Lieder schrieb und sang und 26 meist gutverkäufliche Alben herausbrachte (diese Angaben entstammen der interessanten Website www.bennyneyman.nl). Für mich ist Bennys warme Stimme unverkennbar, ausdrucksstark und berührend. Ich lasse meine Bärenseele baumeln und lausche seiner einfühlsamen und ehrlichen Musik. Du brauchst Trost? – Benny schenkt ihn Dir. Du bist Romantiker? – Dann ist Benny sowieso ein Muss!

Liebe ist … wenn Lexi (l.) und Bobby bei Bennys Chansons zärtlich zueinanderfinden!

Der zurückhaltend auftretende und mit natürlichem Charme gesegnete Sänger mochte französische Chansons, griechische Musik und amerikanische Countryballaden. All das findet sich in seinen Liedern wieder. Aber mit ebenso viel Herzblut sang Benny auch wunderschöne, jedoch außerhalb Limburgs wenig bekannte Titel über seine Heimat (etwa auf der 2004 im Limburger Dialekt aufgenommenen CD „Trök nao Blouwdörrep“). Mir fällt auf, dass bei den besonders schönen Liedern von ihm häufig der Name des griechischen Komponisten Nikos Ignatiadis genannt wird! Übrigens auch bei Bennys größtem kommerziellem Erfolg.

Der vielseitige Künstler Benny Neyman war in seinen späteren Jahren nicht nur ein Sänger, sondern auch ein leidenschaftlicher Maler. Ausgesprochen schöne Bilder legen davon Zeugnis ab (siehe auch mein erstes Bild, links hinten!). Nun noch ein paar weitere Zeilen zu diesen späteren Jahren: Nach 28 Jahren trennte sich Benny Neyman im Sommer 2006 aufgrund künstlerischer Meinungsverschiedenheiten von seinem Manager. Bereits zu dieser Zeit hatte Benny große gesundheitliche Probleme: Speziell nach dem Bruch mit dem bisherigen Management kämpfte er mit Depressionen, wollte gar seine Gesangskarriere beenden; und die wahre Ursache seiner Rückenbeschwerden blieb zunächst im Dunkeln … Ein knappes Jahr später wurde Bennys große Liebe, sein langjähriger Ehemann Hans van Barneveld (kirchlich gesegnet wurde der Bund der beiden bereits 1986, die in den Niederlanden seit 1998 erlaubte Registrierte Partnerschaft und die ab 2001 mögliche „offizielle“ Eheschließung folgten), sein neuer Manager. Benny hatte wieder Mut gefasst und viele neue Pläne! Im Oktober 2007 erschien denn auch seine CD „Onverwacht“, Anfang November stand er bei einer Veranstaltung des Senders WDR 4 in Oberhausen auf der Open-Air-Bühne. Am 2. Dezember 2007 erinnerte er in Amsterdam mit einigen Künstlerkollegen in einer Theater-Hommage an seine langjährige Freundin und Duettpartnerin, die bereits erwähnte Sängerin Conny Vandenbos (1937 bis 2002). Niemand ahnte bei seinem letzten Auftritt, wie nah das Ende war. Am 21. Dezember 2007 gab Benny Neyman bekannt, dass er an einer fortgeschrittenen und unheilbaren Form von Knochen- und Rückenmarkkrebs litt. Die für 2008 organisierte 23. Theatertournee wurde abgesagt …

Wenn Ihr Euch nun selbst etwa auf Youtube auf die Suche nach Benny Neyman macht: Dort ist ziemlich viel zu finden! Und ich sage es lieber vorweg: Benny Neyman beging wohl sämtliche Jugendsünden seiner Zeit – schreckliche Choreografien, fürchterliche Kleidung, unmögliche Frisuren … und so manches Lied ist wirklich nicht das Gelbe vom Ei. Immer aber werdet hoffentlich auch Ihr bemerken: Benny war ein liebenswerter Mensch und hatte eine sehr schöne Stimme! Die neu angeschafften CD-Boxen von ihm im Wohnzimmer hat der Papi jedenfalls nicht nur für mich gekauft!

Seine Lieder bleiben uns – und die Erinnerung: Benny Neyman (1951 bis 2008).

Ach Benny, Du hättest noch so viel für uns singen sollen! Ohne Dich ist die Welt ärmer, aber wir haben wenigstens noch Deine Lieder! Gern wiederhole ich daher die mir vom Papi geschenkte Überschrift: „Auf den Flügeln der Zeit fliegt die Traurigkeit davon.“ Und jetzt hören der Papi und ich endlich wieder ein paar von Bennys uns magisch in den Bann ziehenden Liedern, dieses Mal „Hoeveel geheimen kent ’n hart“, „Aan ’t einde van de regenboog“ und, am besten bitte dreimal hintereinander, „’t Heimwee numste mèt“ (seine 2004 aufgenommene Coverversion eines ursprünglich auf Kölsch gesungenen Titels von Marita Köllner). Bennys Stimme, dieses Schifferklavier und gegen Ende des Liedes die Trommeln – da solltet Ihr mein kleines Bärenherz mal schlagen hören. Wer da nicht melancholisch wird … Und ich frage mich, wie schnell einst ich vergessen sein werde.