WortklauBÄR

Der Papi hat so manchen Korb bekommen

… aber der hier war der schönste:
Darf ich vorstellen, das ist Körbi!

In vertrautem Gespräch hörte ich den Papi neulich sagen: „Ich hab in meinem Leben so manchen Korb gekriegt.“ Da wunderte ich mich erst mal, weil doch in unserer Wohnung außer dem Wäschekorb aus Naturholz nur noch Körbi (siehe Bild links) zu finden ist. Der Papi hat mir dann erklärt, dass „einen Korb bekommen“ eine alte Redewendung ist. Und auf der Suche nach deren Ursprung haben der Papi und ich Folgendes in Erfahrung gebracht:

Sich einen Korb holen beziehungsweise einen Korb bekommen/
erhalten/kriegen
bedeutet zum einen: eine abschlägige Antwort auf einen Heiratsantrag erhalten. Zum anderen und heute wohl häufiger ist damit ganz allgemein eine Zurückweisung gemeint. Wenn Ihr also eine Abfuhr, eine Absage oder eine Ablehnung erhaltet oder wenn Ihr mit einem Antrag, einer Bitte, einer Aufforderung und dergleichen baden gegangen seid und auf Granit gebissen habt …: dann habt Ihr Euch gleichbedeutend einen Korb geholt oder einen bekommen.

Wie und wann genau sich die besagte Redewendung in Eurem Sprachschatz verankert hat, bleibt freilich ziemlich im Dunkeln. Laut dem aktuellen Duden-Band 11 „Redewendungen. Wörterbuch der deutschen Idiomatik“ geht sie auf einen alten Brauch zurück: „In früheren Zeiten ließ sich in manchen Gegenden der Bewerber um die Gunst einer Frau von ihr in einem Korb zum Fenster hinaufziehen; wollte eine Frau zum Ausdruck bringen, dass sie den Bewerber ablehnte, so sorgte sie dafür, dass der Boden des Korbes durchbrechen musste. Später wurde es auch üblich, einem abgewiesenen Freier einen kleinen Korb ohne Boden zu überreichen.“ In seinem Buch „Das geht auf keine Kuhhaut!“ schrieb Kurt Krüger-Lorenzen (1904 bis 1971) im Herbst 1960 wesentlich eindeutiger: „Unerwünschte Anbeter wurden früher in einem schadhaften Korb zum Kammerfenster der Burg emporgezogen, in der die Geliebte wohnte. Bei dieser Prozedur fielen sie häufig mit dem Sitz durch. Daher auch durchfallen, beispielsweise bei einer Prüfung, aus allen Wolken fallen, er ist unten durch, …“

So viel scheint zunächst klar (das folgende Zitat stammt aus wikipedia.de): „Das Motiv des liebestollen Freiers, der sich von seiner Angebeteten in einem Korb emporziehen lässt, war im Mittelalter in vielen Liedern und Erzählungen weit verbreitet und endet stets gleich: Die Umworbene verspricht, den Freier zu erhören und zu sich ins Bett zu lassen – nennt aber die Bedingung, dass der sich in einem Korb zu ihrem Fenster emporziehen lässt. Entweder bricht dann der gelockerte Boden und der Freier fällt zu Boden oder die Angebetete lässt ihn im Korb aus großer Höhe zurückfallen. […] In einer weiteren Variation des Motives lässt das umworbene Fräulein den Korb mitsamt Freier auf halber Höhe zu ihrem Fenster hängen, worauf dieser am nächsten Morgen zum Gespött der Leute wird.“ In jedem Fall ist das Sprichwort „durch den Korb fallen“ in diesem Sinne bereits dem mittelalterlichen Meistersinger Hans Sachs (1494 bis 1576) vertraut gewesen. Das berühmte Wörterbuch der Gebrüder Grimm lasse ich jetzt mal links liegen, denn rechts lese ich in der vierten Auflage von Meyers Konversationslexikon (erschienen Ende des 19. Jahrhunderts), dass die Redensart „jemandem einen Korb geben“ wahrscheinlich aus der Rücksendung der sogenannten Corbeille de mariage der Braut an den Bräutigam entstanden ist. „Corbeille de mariage“ ist laut Meyers mit „Brautgeschenk“ zu übersetzen (wörtlich „Hochzeitskorb“): Nach französischer Sitte empfahl sich der Bräutigam seiner Braut nämlich mit einem verzierten Korb samt vielversprechendem Inhalt.

Es gibt allerdings noch mindestens eine weitere ernsthafte Erklärung zur Herkunft der Redewendung. So beschrieb seinerzeit der Schriftsteller Karl Leberecht Immermann (1796 bis 1840) für Westfalen einen alten Volksbrauch, der in leichten Abwandlungen auch für andere Gegenden Deutschlands vielfach belegt ist (das folgende Zitat findet sich ebenfalls auf wikipedia.de): „Wollte sich ein Mann auf den Weg zu einer Brautwerbung machen, ließ er diesen Gang und dessen voraussichtliches Datum durch einen Mittelsmann beim Brautvater andeuten. Das gab der Familie des Brautvaters Zeit, sich über den möglichen Bewerber zu beraten. Wollte der Brautvater ihn nicht zum Schwiegersohn, platzierte er an geeigneter Stelle einen geflochtenen Korb am Haus oder am Eingang zur Hofanlage. Erblickte der Freier von ferne diesen Korb, wusste er, dass sein Brautwerben aussichtslos sein würde; er hatte einen Korb bekommen und konnte sich somit ohne Gesichtsverlust sofort wieder auf den Heimweg machen.“ Im niederdeutschen Bereich wiederum gab es offensichtlich einen „Korbtanz“. Bei dem saß ein tanzwilliges Mädchen mit einem Korb auf dem Schoß auf einem Stuhl. War die Maid schön, konnte es der Überlieferung nach leicht zwei Bewerber fürs Parkett (…) geben. Dem einen Jüngling reichte die Holde dann den Korb, dem anderen die Hand zum Tanz. Und schon wieder hatte jemand einen Korb bekommen.

Im Internet wird teils heftig über den Ursprung der Redewendung diskutiert: „Und die Frauen haben dann 90 Kilogramm in den achten Stock gezogen, oder was?“, fragt der eine. „Noch nie was von einem Flaschenzug gehört?“, lautet die Antwort (Euer Bryan findet übrigens Flaschenzug an dieser Stelle ziemlich doppeldeutig). Allerdings nur vorläufig, denn ein Dritter schaltet sich ein: „Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass dieser Brauch wirklich so existierte. Mit dem richtigen Seilzug kann man vielleicht die Kraft aufbringen, einen Mann hinaufzuziehen, doch wer hatte schon so eine Vorrichtung am Fenster?“ An dieser Stelle sind wir dann bei Burgen, Türmen, Schlössern und den althergebrachten Liebesbräuchen der Adelsgeschlechter angelangt. Ob ich vielleicht einfach mal Prinzchen fragen sollte?

Und Bärli – wer sonst? – ist der Hahn im Korb!

Ganz hinten links im Internet hat der Papi noch zwei weitere Erklärungsansätze gefunden. Der eine lautet wie folgt: „Wenn früher ein Bursche seiner Angebeteten einen Heiratsantrag machte, schnitzte er eine Flachsgabel und ging damit zu ihrem Haus. Sah sie nun den Burschen kommen und wollte nicht seine Frau werden, stellte sie schnell einen Korb vor die Tür. Dadurch wusste der Bursche nun Bescheid, dass sie nichts von ihm wollte.“ Und der andere erinnert an den erwähnten „Korbtanz“: „Früher war es üblich, dass die Frauen, wenn sie eine Tanzveranstaltung besuchten, statt der heutigen Handtasche einen Korb mit den üblichen Utensilien dabei hatten. Forderten nun zwei Tänzer ein und dieselbe Frau zum Tanz auf, so bekam derjenige, mit dem diese Frau nicht tanzen wollte, ihren Korb zur Aufbewahrung, da dieser beim Tanz störte.“ Das waren wenigstens noch ehrliche Leute!

Tja, nach all den Recherchen stelle ich mit Bedauern fest: Wenn Ihr von mir eine eindeutige Herkunftserklärung haben wollt, muss ich Euch leider einen Korb geben. Etwas klarer erscheint auf den ersten Blick dagegen die Redensart „Hahn im Korb sein“. Die bedeutet laut Duden erstens: „[als einziger Mann in einem überwiegend aus Frauen bestehenden Kreis] Mittelpunkt sein“. Und zweitens: „besondere Beachtung finden, bevorzugt behandelt werden. Dieser Ausdruck bezieht sich darauf, dass sich unter einer Schar Hühner oft nur ein Hahn befindet [Marketingmenschen sprechen hier wohl von der Unique Selling Proposition (USP), Anmerkung vom Papi]. Mit Korb ist wahrscheinlich das korbartige Behältnis gemeint, in dem die Tiere auf den Markt gebracht werden.“

Ich frage lieber nicht, was nach dem Markt mit Hahn und Hennen passiert. Und warum bei einer einzigen Frau in einem überwiegend aus Männern bestehenden Kreis niemand von der „Henne im Korb“ spricht. – Wie auch immer, inzwischen sind viele Eurer einst wörtlich gemeinten Redewendungen zu leeren Redensarten, sprich zu Floskeln geworden. Aber der Papi und besonders ich achten halt noch darauf, was gesagt wird. Als Fahrradliebhaber ist der Papi zum Beispiel immer ganz entsetzt, wenn in Peking ein Radl umfällt!