Wodka für die Königin!

Zarah Leander im Jahr 1938.
Liebe Freunde, heut will ich Euch mal wieder etwas Ungewöhnliches gestehen. Und zwar rechtzeitig vor ihrem Geburtstag am 15. März. Es geht um eine Persönlichkeit und vor allem um eine Stimme. Die mag ich wirklich sehr, und das ist auch gut so: Sonst sähe man mich nämlich bei meinem Papi doch recht häufig mit großen Ohrstöpseln herumlaufen …
Über diese Frau hat der italienische Regisseur Federico Fellini mal gesagt: „Immer bekam ich eine Gänsehaut, wenn ich sie hörte. Sie war die Löwin, von der sich ein Mann gerne auffressen lassen würde.“ Auf dem Bild habt Ihr ja hoffentlich gleich erkannt, wer dieses Mal mein Mensch des Monats ist: die einzigartige Zarah Leander. Ihre Lieder rühren also weiß Gott nicht nur mein kleines Bärenherz: Und was fängt man am End mit dem Herzen an, wenn es keinen gibt, dem man es schenken kann? Ja schmacht, denkt doch einfach mal darüber nach! Denn ob melancholische Balladen oder pathetische Chansons: Wo gibt es heute noch so viel Inhalt mit so viel Tiefe? Und in anderen Liedern wiederum so viele erfrischend eindeutige Zweideutigkeiten?!
Ach, schon kramt Euer Bryan wieder mit dem Papi im Plattenschrank. Apropos Papi, der hat vor einigen Jahren in einem Special-Interest-Onlinemagazin ziemlich ausgiebig an Zarah Leander erinnert. Da steht im Prinzip all das drin, was ich Euch auch gesagt hätte. Und wollt Ihr wissen, wie ich auf meinen Wodka-Titel gekommen bin? Dann lest doch bitte, was der Papi damals geschrieben hat, übrigens unter der romantischen Überschrift
… geht die Liebe durch ein weites Land.
Zarah, die Unvergleichliche – eine Erinnerung

was ein Dekolleté ist: Zarah,
ebenfalls 1938. Finger weg!
Ich hab eine tiefe Sehnsucht in mir, nach dir, nach dir
es flüstert ein leises Märchen in mir, von dir, von dir.
Der Himmel ist trüb und mein Herz ist so müd
und kein Hoffnungsschimmer leuchtet mir hier
und ich weiß nur das eine, ich hab dich so lieb
und ich sehn’ mich, ich sehn’ mich nach dir.
Diese dunkle, sinnliche Stimme ist absolut unverwechselbar. Wer das Wort Timbre erklärt haben will, sollte nicht zum Wörterbuch, sondern zu (Groß)mutters Plattenschrank eilen. Unter Zarah Leander findet er all das, was Timbre bedeutet: Klang, Schall, Schmelz. Traurige Balladen und gefühlvolle Chansons konnte die Leander genauso unvergleichlich interpretieren wie frivole Musicalstücke und glutvolle Schmachtfetzen. Und wirklich keine rrrrollte je das R umwerfender.
Man nennt mich Miss Vane, die berühmte, bekannte, yes, Sir
die nicht sehr beliebte bei Onkel und Tante, no, Sir.
Man fürchtet, ich könnt die behüteten Neffen
im Spielsalon oder im Himmelbett treffen
ich könnt sie verführen mit tausenden Listen
zu etwas, was sie vielleicht doch noch nicht wüssten, yes, Sir.

eine ganze Menge über Zarah!
Die Leander, das war über mehr als vier Jahrzehnte der Inbegriff einer Diva. Obwohl, einige Einschränkungen sind leider schon zu machen … Bereits als kleines Mädchen träumte die am 15. März 1907 im schwedischen Karlstad geborene Sara Stina Hedberg von der Bühne. Mit 19 Jahren heiratete sie ihren ersten Ehemann Nils Leander und gebar in den folgenden Jahren eine Tochter und einen Sohn. Doch Familie hin oder her, eines Tages konnte niemand sie mehr aufhalten: Auf Bühnen- und Filmauftritte in ganz Skandinavien folgte ein Theaterengagement in Wien (Axel an der Himmelstür, 1936), und schon rief die Ufa in Berlin. Mit Filmen wie Zu neuen Ufern, La Habanera, Heimat und Es war eine rauschende Ballnacht begründete die Schwedin ihren Ruf als geheimnisumwitterte und leidenschaftliche Liebhaberin. Dabei hätte 1938 ein Atelier-Unfall beinahe Zarahs Karriere zerstört: Als eine Kamera in Flammen aufging, erlitt die Leander schwere Augenverletzungen. Drei Wochen lag sie blind in der Klinik, eine sehr starke Kurzsichtigkeit blieb zeitlebens zurück (deswegen ihre legendäre Standardfrage an die Party-Begleitung: „Können Sie mir bitte sagen, wer vor mir steht?“).
Abenteuer sind am Abend teuer
doch noch teurer sind sie bei Nacht
das liegt nicht nur an der Vergnügungssteuer
die kommt ja sowieso nicht immer in Betracht.

Auch nach Kriegsbeginn 1939 blieb die unpolitische Zarah im Nazireich. Das haben einige der deutschesten Schwedin nie verziehen. Das Regime hofierte sie – kein anderer Star war ja mehr da –, und Propagandaminister Goebbels gab das letzte Geld der Reichsfilmkammer für Leanders Bleiben aus. Erst 1943 (und nach einigen heute so genannten Durchhaltesongs wie Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n und Davon geht die Welt nicht unter) kehrte die „Propagandistin des Trostes“ (Paul Seiler) nach Schweden zurück. Dort investierte sie ihre Millionen in ihr geliebtes, 1939 erworbenes Landgut Lönö, in weitere Ländereien und in Kunstwerke.
Es lebte einst in Nowgorod, das schönste Kind der Welt
da kam der Krieg nach Nowgorod, ihr Liebster zog ins Feld.
Eine Rose gab sie ihm, eine Rose, rot wie Blut:
„Kehr bald zurück nach Nowgorod, und bleib mir immer gut.“
…
Der Frühling kam nach Nowgorod, die Rosen blühten rot
doch draußen weit vor Nowgorod, da war noch Krieg und Tod.
Jahre gingen übers Land, und ums Herz war ihr so schwer
sie wartete in Nowgorod, doch er kam nimmermehr.

der TV-Show „Zarah Diva“
Erst 1948 kam sie in ihre zweite Heimat zurück: Was den Film anging, ein künstlerisch eher bescheidenes Comeback (Gabriela [1950], Ave Maria [1953], Der blaue Nachtfalter [1959]), doch was die Sängerin Zarah Leander betraf, ein außergewöhnliches Ereignis. Die Legende war wiedergekehrt und wurde eine noch größere Legende. Unvergesslich sind den älteren Zeitzeugen Leanders umjubelte Gastspiele in Wien, Hamburg, München und Berlin (etwa als Madame Scandaleuse, als Lady aus Paris und zuletzt in Das Lächeln einer Sommernacht). Große Konzerttourneen führten die Künstlerin ab 1951 rund um die Welt.
Das ist die große Zeit, zu zweit in Glück und Seligkeit
die eines Tags vergeht, verweht, weil sich die Erde dreht …
So wird es ewig sein, allein bleibt immer ein Herz zurück
es wechselt Nacht mit Sonnenschein, es wendet sich das Glück
in einem Augenblick, bist du allein.
Bald aber begann für Zarah ein unerbittlicher Alterungsprozess, der selbst große Fans von ihr zunehmend ratlos machte. Wenn auch ihre Stimme so beseelt blieb wie einst, ihr Körper – war’s zu viel Alkohol, war’s die Arthritis? – sprach den Liedern über elegante Ladys und Femmes fatales immer öfter schlichtweg Hohn. Und so gibt es auch nur wenige „vorzeigbare“ Altersbilder von ihr. Auf einem ihrer zahlreichen Abschiedsgastspiele („Ich bin ein Zirkuspferd“) erlitt sie im Oktober 1978 vor der Vorstellung einen Schlaganfall, von dem sie sich nicht mehr erholte. Drei Jahre siechte sie, nach dem Tod ihres dritten Ehemannes Arne Hülphers zunehmend vereinsamt, dahin, bevor das Schicksal sie am 23. Juni 1981 in Stockholm von ihrem Leiden erlöste.

Wenn der Herrgott will, dann ist ewig Frieden
und ein Paradies ist uns dann beschieden
und er schaut beglückt vom Himmelszelt
hinab auf seine kleine Welt.
Ihre treuesten Fans hatte die Leander wohl immer schon unter homosexuellen Männern. War es ihre so prägnante Kontra-Altstimme, lag es an ihren Texten, die mitunter so „eindeutig“ schwul verstanden werden konnten, war es ihre extravagante Ausstrahlung? (Im „wahren“ Leben war der Star übrigens von ausgesprochen praktischer Natur und nüchternem Charakter.) Oder konnten etwa „gegen Ende“ nur noch schwule Männer den deprimierenden Anblick des geliebten, aber doch vorzeitig gealterten Stars ertragen? Heute egal …
Wodka für die Königin, Königin, Königin
Wodka liebt die Königin, mehr als Cognac, Rum und Gin
Wodka für die Königin, Königin, Königin
Wodka trinkt die Königin, für ihr Herz als Medizin.

… und wie auch immer, dem blutigen Zarah-Anfänger ebenso wie dem versierten Leander-Liebhaber empfehle ich an dieser Stelle die Doppel-CD Mein Herz kann weinen, mein Herz kann lachen … [auch heute noch erhältlich, Anmerkung Bryan]. Die enthält nämlich nicht die allseits bekannten Welthits der Leander (Der Wind hat mir ein Lied erzählt, Kann denn Liebe Sünde sein?), sondern ebenfalls inhaltsreiche Songs, die aber selten bis nie zu hören sind. Zum Schwelgen, zum Träumen, zum Lachen; Lieder wie Einer muss da sein und unterhaltsame Musicalstücke aus Zarahs späten Jahren. Auf der zweiten CD Zarah Leander spricht sind Interviewäußerungen aus mehr als vier Jahrzehnten versammelt. Schnell wird klar: Auch Leanders Sprechstimme ist unverrrrwechselbarrr!
Wenn am Schwarzen Meer der Mond sich verhüllt
wenn in weißen Nächten heiß die Balalaika spielt
knüpft sich manches zarte Liebesband.
Wenn die Troika durch die Taiga flieht
wenn am Firmament ein helles Sternenmeer erglüht
geht die Liebe durch ein weites Land.
Nachtrag von Bryan: Der in Papis Bericht genannte Paul Seiler ist wohl der größte Verehrer von Zarah Leander. Von seiner Website www.zarah-leander.de stammen die meisten der hier gezeigten Bilder; es ist die mit Abstand umfangreichste Künstler-Website, die ich kenne! Wenn Ihr da mal stöbert, dann grüßt doch bitte den Paul Seiler recht herzlich von mir!
Lieber Bryan,
erst heute bin ich über diese Seite „gestolpert“ und habe mich riesig gefreut. Ich selbst bin seit frühester Jugend ein großer Fan von der wunderbaren Zarah Leander und habe schon im Teenager-Jahren angefangen, Schallplatten und Zeitungsberichte über diese großartige Frau zu sammeln. Leider habe ich Zarah niemals live erleben können, dazu bin ich zu spät geboren worden. Ich habe sie aber noch an der Seite von Ingeborg Hallstein zur Geburtstagssendung von Nico Dostal im Fernsehen erleben dürfen! Was mir in meiner Sammlung noch fehlen würde, wären ihre alten Aufnahmen in schwedischer aber auch in französischer Sprache. Gibt es sowas bereits auf CD? Ich habe aber auch noch die Möglichkeit, unsere guten, alten Schallplatten abzuspielen. Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Santiano
Liebe Santiano,
und ich habe mich riesig über Ihre Post gefreut! Es ist immer (okay: meistens) so schön, wenn sich zwischen dem vielen Spam ein echter „Mensch“ versteckt hat und ich ihn finde.
Was nun alte Aufnahmen von Zarah Leander in schwedischer oder französischer Sprache angeht, so empfehle ich heutzutage immer einen Blick auf das Videoportal Youtube: Bei Eingabe entsprechender Suchbegriffe lässt sich da praktisch „alles“ finden und auch (schon wieder okay: meistens) herunterladen. Beim Papi im CD-Regal habe ich übrigens die Zarah-CD „Svenska Sångfavoriter“ gefunden, die ein paar meist recht unbekannte schwedische Lieder aus den Jahren 1930 bis 1961 enthält. Das ist doch „alt“, oder nicht?
Diese CD könn(t)en Sie etwa bei Amazon oder im iTunes Store Probe hören und/oder herunterladen – ich habe grad extra für Sie nachgeschaut. Auf die Schnelle habe ich bei Amazon auch ein preisgünstiges MP3-Download-Album gefunden: „Vill ni se en stjärna?“ versammelt 20 Originalaufnahmen unserer Zarah aus den Jahren 1931 bis 1954. Mit all den Neuentdeckungen wünsche ich Ihnen einfach mal viel Freude!
Herzlichst, Ihr Bryan
PS: Für Ihre Einstimmung auf Youtube schicke ich Ihnen hier eine nette
Live-Atmosphäre aus dem Jahr 1957:
https://www.youtube.com/watch?v=FMIQneREVgI
Hallo Bryan,
mit viel Freude und Vergnügen habe ich Deine Worte zu Zarah Leander gelesen. Da ich sie selber sehr gut kannte und sie ebenfalls sehr verehre, würde ich gern mal wissen, wie man an den Text kommen kann, den Dein Papi in dem Special-Interest-Onlinemagazin über sie geschrieben hat. Ich selber habe ein Buch über sie oder vielmehr das Leben von Brigitte Pettersson geschrieben, die viele Jahre lang als Deutsche ihre Sekretärin war, und ich manage einen Künstler, der Zarah-Leander-Lieder singt, „Cristina“. Dafür übersetze ich manchmal ihre wunderschönen schwedischen Lieder, die die Deutschen teilweise gar nicht kennen. Würde mich freuen, Post von Dir zu bekommen.
Liebe Grüße
Carmen
Hallo, liebe Carmen,
hier Bryan! Herzlichen Dank meinerseits für Ihre netten Worte. Also, Sie wüssten gerne, wie Sie an Papis Text kommen können – nun, das will ich Ihnen gerne schreiben: indem Sie in den nächsten Tagen in Ihren Briefkasten schauen. Der Papi schickt Ihnen nämlich morgen eine originalgetreue Textkopie (Sie werden merken, warum ich ihn als Co-Autor angegeben habe) – und zwar samt seinem Zarah-Leander-Editorial für ein anderes Special-Interest-Onlinemagazin ein paar Monate später. Lang ist’s her!
Vor wenigen Tagen lief abends auf ARTE die Doku „Die Akte Zarah Leander“. Dort haben der Papi und ich auch die Frau Pettersson gesehen und gehört! Bei dieser Gelegenheit noch ein kleiner Tipp für treue Fans: Wer auf dem Internetportal YouTube nach „Cristina Leander“ sucht, kann sich leibhaftig an Cristina aus Amsterdam und ihren Gesangskünsten erfreuen (ihre Website: http://www.cristina-aus-amsterdam.de). Hm, ob ich demnächst als Co-Manager arbeiten sollte?
Herzliche Grüße
Bryan