Nicht ewig währt das Glück. Petra Schürmann zum Gedenken
Wer sie Anfang Juni 2001 nach ihrem Glück gefragt hätte, den hätte sie sicher voller Sympathie angelächelt. Und dann hätte sie mit ihrer charmanten, sanften Stimme vermutlich gesagt: „Ich habe meine bezaubernde Tochter Alexandra, die in wenigen Wochen heiraten wird. Ich habe einen liebevollen Ehemann, eine Villa über dem Starnberger See, eine tolle Karriere als Fernsehmoderatorin, viele Freunde, bin gesund … möge es so bleiben.“
Aber am 21. Juni war alles vorbei: Um 8.45 Uhr fuhr auf der A8 bei Rosenheim ein Geisterfahrer in selbstmörderischer Absicht gegen ein mit zwei Personen besetztes Auto. Eine der zwei Frauen im VW Passat starb: Petra Schürmanns 34-jährige Tochter Alexandra. Von diesem Schicksalsschlag hat sich ihre Mutter nie mehr erholt, am 14. Januar ist sie 76-jährig nach langen und schweren Krankheiten gestorben: Mein Mensch des Monats Januar war eine der bekanntesten TV-Moderatorinnen des Landes und das Vorzeigegesicht des Bayerischen Rundfunks, eben Petra Schürmann. In der Stunde ihres Todes war ihre beste Freundin, Prinzessin Ursula von Bayern, bei ihr. Auf dem Nachttisch lagen ein vom Papst geweihter Rosenkranz und der Lieblingsteddybär ihrer Tochter Alexandra. Dass mich dieses mehr bewegt als jenes, werdet Ihr mir hoffentlich verzeihen. Zumal wenn Ihr erfahrt, dass Petra Schürmann diesen Teddy auch im Sarg in ihrem Arm hält. Schluck.
Begonnen hatte Petra Schürmanns Leben in behüteten Verhältnissen und weitab von Bayern: Geboren wurde sie am 15. September 1933 in Mönchengladbach. Die Mutter war Journalistin, der Vater Prokurist in einem Kabelwerk. Mit einem älteren und einem jüngeren Bruder wuchs sie in einem streng katholischen Elternhaus in Wuppertal auf und begann nach dem Abitur ein Studium der Philosophie und der Kunstgeschichte in Bonn, Köln und München.
Angeblich „zum Spaß“ nahm die Münchner Studentin 1956 an einem Schönheitswettbewerb in Köln teil. Als Drittplatzierte der Miss-Germany-Wahlen durfte sie zur Miss-World-Wahl nach London und gewann tatsächlich den Titel – als erste und bisher einzige Deutsche. Und mit Verlaub, zu einer Zeit, als alle schönen Frauen noch ohne Silikondämpfung unterwegs waren. Der Titel Miss World brachte Petra Schürmann ein Cabriolet und weltweite Publicity. Zwei Jahre zuvor hatte die junge Bundesrepublik die Fußballweltmeisterschaft gewonnen und jetzt das! Aber Petra Schürmann wollte unbedingt weiterstudieren, und zu Beginn der 1960er-Jahre wurde sie vom Bayerischen Rundfunk doch glatt in der Reihe „Prominente von gestern und was sie heute machen“ portraitiert. Erst daraus entwickelte sich ihre große Fernsehkarriere!
Seit Mitte der 1960er-Jahre war sie erst als Ansagerin, bald auch als talentierte Moderatorin regelmäßig auf dem Bildschirm zu sehen. Bis zum Jahr 2000 führte sie allein für die ARD und das ZDF durch rund 600 Sendungen, darunter die Reihen Essen wie Gott in Deutschland, Die goldenen Fünfziger, Samstagsclub und Verkehrsgericht, die Prominentenshow Schlüsselloch oder die Sendung Auf geht’s zur Eröffnung der Wiesn. Im Bayerischen Fernsehen prägte sie humorvoll und wortgewandt 180 Folgen der samstäglichen Unterhaltungsshow Wir in Bayern. Überdies trat sie in einigen Filmen als Schauspielerin auf. 1996 bekam sie den Bayerischen Verdienstorden.
Die Münchner Bussi-Bussi-Gesellschaft hatte viele Jahre lang ein Problem mit Petra Schürmann. Denn der unabhängige und unverheiratete Fernsehstar brachte 1967 ein uneheliches Kind zur Welt. Da war dann zunächst Schluss mit Duzi-Duzi. Jahrelang wollte sie nicht verraten, wer der Vater ihrer Tochter war, was Eure Klatschpresse sehr beschäftigt hat. Erst 1973 platzte die Bombe: Der Internist Gerhard Freund, seit 1953 Ehemann von Kinoliebling Marianne Koch, ließ sich scheiden, heiratete seine langjährige Geliebte und adoptierte seine Tochter. Genau wie ihre Mutter startete Alexandra Freund ihre Karriere beim Bayerischen Rundfunk. Bis sie für ihre Mutter einen geplanten TV-Beitrag übernahm und sich mit einer Kollegin auf den Weg zum Drehort nach Berchtesgaden machte. Eben am 21. Juni 2001 …
Der Tod ihrer Tochter beendet auch Petra Schürmanns Fernsehkarriere endgültig: Sie verliert im Jahr 2002 buchstäblich ihre Stimme, Eure Fachleute sagen „psychoreaktive Sprachstörung“ dazu. Sie verliert viele ihrer sogenannten Freunde, sie verliert im August 2008 schließlich auch ihren Ehemann nach seinem langen Kampf gegen den Krebs. Spätestens von da an ist sie sehr allein und lebt völlig zurückgezogen. Welch traurige Vorstellung: Die ehemals „schönste Frau der Welt“ sitzt im Rollstuhl und muss rund um die Uhr von Pflegern betreut werden. Die von ihr liebevoll „Uschi Bayern“ genannte beste Freundin schreibt in der Münchner abendzeitung: „Diese Krankheit hat ihrem Körper alle Kraft genommen und ihr Immunsystem gänzlich aufgerieben.“ Ein Zusammenbruch nach dem anderen folgt. Magensonde. Lungenentzündung. Das Ende.
Den Papi und mich haben das Gesicht und die klangvolle Stimme von Petra Schürmann viele Jahre lang begleitet. Beschäftigt haben uns ihr „wechselhaftes“ Aussehen, fasziniert haben uns ihre Beine und ihr eleganter Gang (jawohl!). Egal ob man die Lady mochte oder nicht, sie war meistens sehr unterhaltsam. So wie ein anderer Vorzeigebayer, der vor genau fünf Jahren gewaltsam zu Tode gekommene Münchner Modezar Rudolph Mooshammer. Das wäre auch gleich mal meine DVD-Idee für die BR-Unterhaltungsabteilung: Petra Schürmann spricht mit Rudolph Mooshammer (und Daisy).
Vier Monate nach Alexandras Tod gab Petra Schürmann ihren BR-Kollegen Sandra Maischberger und Werner Schmidbauer das letzte Fernsehinterview. Darin erzählt sie äußerlich gefasst über ihr Leben und ihre Zukunftspläne. Doch weil ihr „die Kräfte fehlen“, sagt sie wenige Wochen später eine geplante Comeback-Talksendung ab. In der 45-minütigen Dokumentation „Petra Schürmann – ein Leben“ darf die Regisseurin Heidi Kranz im Jahr 2005 Petra Schürmann ein letztes Mal mit der Kamera begleiten. Immer noch bezaubert ihr einzigartiger Blick in die Kamera. Ihr Gang aber ist schwerfällig geworden, und sie kann sich nur noch mit Gesten und per SMS verständigen. Wer von Euch wird nicht berührt von Sätzen wie „Freunde sind mir am wichtigsten. Die Freunde sind ja da, trotz meines Nichtsprechenkönnens oder gerade deswegen – da trennt sich die Spreu vom Weizen“, „Ich hab ja oft den Eindruck, dass mein Mann mich am wenigsten versteht von allen, die in meiner Umgebung sind“ oder „Ich gehe jeden Tag zu Alexandras Grab, das ist für mich eine Art von Zuhause geworden“?
Über das ungewöhnlich enge Verhältnis zwischen Alexandra und ihrer Mutter ist viel geschrieben worden. Alexandra war „mehr als eine Tochter für mich“, meinte Petra Schürmann Ende 2001, „sie war eine Freundin. Es war zu schön, um wahr zu sein.“ Wahrscheinlich hat die übermächtige Trauer wirklich ihren Lebensnerv zerschnitten. Viele von Euch sagen zwar, Petra Schürmann hätte sich in ihrem 2002 erschienenen Buch Und eine Nacht vergeht wie ein Jahr den Kummer über den Tod ihres einzigen Kindes von der Seele geschrieben. Aber ich sage Euch, das hat nicht funktioniert. Vielleicht ist sogar eher das Gegenteil eingetreten. Überdies nehmen ihr einige amazon-Rezensenten Alexandras Glorifizierung extrem übel: „Der eine Stern ist noch geschmeichelt, aber null Sterne kann man hier ja nicht vergeben.“ Schonungslos wird über die „ungesund symbiotische“ Mutter-Kind-Beziehung gemutmaßt. Zwei Dinge gehen mir bei alldem nicht aus dem Kopf: Zum einen, dass ihr Ehemann vielleicht deswegen ganz anders trauerte als sie, weil ihm seine zwei Söhne aus der Ehe mit der großartigen Marianne Koch geblieben waren. Und zum anderen die letzte Zeile aus dem Lied „Gib einem Kind deine Hand“ von Nana Mouskouri: „Dann lehre dein Kind fortzugeh’n.“
Noch etwas ist dem Papi und mir aufgefallen: Wie widersprüchlich manche Aussagen von Petra Schürmann und manche Fakten zu ihrem Leben sind. Ist das etwa zwangsläufig so, dass die jahrzehntelange Sucht nach Schönheit und Aufmerksamkeit bei Euch Menschen zu verzerrten Wahrnehmungen und Darstellungen führt? Nehmen wir ihr Geburtsjahr, von dem erst seit wenigen Tagen feststeht, dass es zwei Jahre vor der bisher geltenden Zahl 1935 liegt. Nehmt ihr recht lange dauerndes Studium, von dem viele sagen, sie hätte es nicht abgeschlossen. Oder nehmen wir die nach eigener Aussage „gläubige Katholikin“, die wissentlich mit dem Ehemann einer anderen in die Federn sprang. Vielleicht trifft es ja die folgende amazon-Rezension ganz gut: Petra Schürmanns Leben hat „sich grundsätzlich um sie selbst gedreht, bis ihre Tochter geboren wurde. Danach drehte sich ihr ganzes Leben um sie und ihre Tochter.“ So intelligent, charismatisch und kollegial Petra Schürmann ohne jeden Zweifel war, wie „unbedarft“, „rücksichtslos“, „demütigend“ oder gar „heimtückisch“ konnte sie auf einem Sportlerball in den 1990er-Jahren nur in die Kameras plappern: „Meine beste sportliche Leistung war die, dass ich mir im Schweinsgalopp diesen Mann geangelt habe!“? Sagen wir es so: Mehr Sympathien hatte hinterher Marianne Koch … In einigen der vier- bis fünftausend (!) Briefe, die Petra Schürmann nach dem Tod ihrer Tochter erhielt, war denn auch gehässig von „Quittung“, „Rache des Schicksals“ und dergleichen zu lesen.
Hoffentlich bleibt Euch mein Mensch des Monats trotz seiner Widersprüche angenehm in Erinnerung. Wer sich wähnt im Glück … nun, wo ein Stern verglüht ist, bin ich doch sehr traurig. In all den Jahren wurde es sehr still um Petra Schürmann. Und nun ist es ganz still.