Mensch des Monats

Montgomery vergess ich nie!

Begabt und smart: Montgomery Clift

Vielleicht kennt Ihr das ja auch: Man sieht einen Film und einen Schauspieler – und wird erst mal traurig. Nicht weil dieser Darsteller so schlecht wäre, sondern weil er viel zu früh gestorben ist, ein tragisches Leben führte, nur wenige große Rollen gespielt hat oder so ähnlich. NEIN, ich meine jetzt nicht James Dean. Ich denke vielmehr an einen Schauspieler, der mein Bärengemüt noch viel tiefer berührt: Mein Mensch des Monats Juli ist in diesem Jahr Montgomery Clift.

Seht nur mal in seine Augen! Darin spiegelt sich der Schmerz der Welt – und vor allem sein eigener. Huch, ich bin ja heut richtig pathetisch. Aber bei Montgomery Clift wird wahrscheinlich jedem Teddybären das Herz sehr schwer! Dabei vermute ich (hoffentlich zu Unrecht), dass viele von Euch diesen Schauspieler gar nicht vergessen können – weil sie ihn niemals bewusst wahrgenommen haben. Dieser mangelnden Wahrnehmung wie auch dem Vergessen will Euer Bryan nun ein wenig abhelfen.

Am 17. Oktober 1920 wird Montgomery Clift in Omaha im amerikanischen Bundesstaat Nebraska geboren. Der oft abwesende Vater ist ein ziemlich rastloser, aber erfolgreicher Banker, die äußerst dominante Mutter nimmt „Monty“, seine Zwillingsschwester Roberta und seinen älteren Bruder Brooks mit auf ausgedehnte Europareisen oder in die Zweitwohnung der Familie auf den Bermudas. Ich weiß nicht, ob Teddybären die drei Kinder begleiten – Privatlehrer für sie sind jedenfalls immer dabei. Ein einschneidendes Erlebnis hat Monty mit knapp acht Jahren auf einer Reise in Frankreich: An Bord eines Schiffes wird er im Swimmingpool von einem anderen Jungen mit dem Kopf unter Wasser gedrückt. Bei Monty’s verzweifeltem Befreiungsversuch platzt in seinem Nacken eine Drüse und entzündet sich. Zurück im Hafen hat Monty bereits fast 40 Grad Fieber, die verzweifelte Mutter fährt erst nach Paris und dann mit ihrem inzwischen bewusstlosen Jungen nach München. Die ärztlichen Bemühungen hinterlassen eine etwa acht Zentimeter lange Narbe auf der rechten Seite seines Halses, vom Ohr abwärts; in vielen seiner Filme ist sie zu erkennen. Nach dem Börsencrash 1929 ist die Zeit der Bermudas bald vorbei. Die Clift’s beziehen nacheinander bescheidenere Wohnungen in Illinois, Florida, Massachusetts und Manhattan, aus dem Vater wird ein Versicherungsvertreter.

Und es war Sommer …
Monty am Strand, ein Tieflieger

Bereits in seiner Jugend ist Montgomery ein begeisterter Theaterschauspieler und brilliert in der Hauptrolle von Fly Away Home am Broadway – als Fünfzehnjähriger (!). Zwei Jahre später und mit seiner Hauptrolle im Theaterstück Dame Nature gilt er als Star. Aber stellt Euch nur vor, lange Zeit verweigert sich Monty der Leinwand im Allgemeinen und Hollywood im Besonderen! Erst 1948 debütiert er im Kino, dann aber so richtig: Unter der Regie von Howard Hawks spielt er im legendären Western Red River einen introvertierten und sensiblen, aber unbeugsamen Cowboy. Noch im gleichen Jahr verkörpert er in Die Gezeichneten (The Search, Regie: Fred Zinnemann) im Prag des Jahres 1945 den hilfsbereiten G.I. Ralph Stevenson.

Montgomery Clift ist einer der ersten modernen Leinwandhelden. Lange vor James Dean und Marlon Brando stellt er den Typus des nonkonformistischen Rebellen dar. Mit höchster Intensität und größter (Ver)wandlungsfähigkeit spielt er vorwiegend neurotische Charaktere, Figuren in emotionaler Zwiespältigkeit und Zerrissenheit, voller Qual und Angst, Liebe und Verlangen. So viel Beklemmung ist selten, Euer Bryan denkt manchmal: Da spielt sich ja ein Mensch die Seele aus dem Leib! Traurig, aber wahr: Im realen Leben prägen Selbsthass und Selbstverachtung den Künstler. Zeitlebens leidet der gebildete und wunderschöne (jawohl!) Montgomery unter Depressionen und seiner Homosexualität.

„Hallo Bryan, nee, heut leider nicht,
die Lizzi kommt gleich!“

Nach Rollen in Ein Platz an der Sonne (A Place in the Sun, Regie: George Stevens, 1949/51), Ich beichte (I Confess, Regie: Alfred Hitchcock, 1953) und Verdammt in alle Ewigkeit (From Here to Eternity, mit Burt Lancaster, Frank Sinatra und Deborah Kerr; Regie: erneut Fred Zinnemann, 1953) schlägt im Mai 1957 das Schicksal zu: Während der Dreharbeiten zu Das Land des Regenbaums (Raintree Country, Regie: Edward Dmytryk) und auf der Rückfahrt von einer Dinnerparty bei Filmpartnerin Elizabeth Taylor (seiner lebenslangen Freundin) verliert Monty die Kontrolle über seinen Wagen und rast über den Dächern Hollywoods an einen Telegraphenmast. Ein Unfall mit schwerwiegenden Folgen: Die Nase ist zweimal, der Kiefer viermal gebrochen (er wird mit Draht fixiert); die Hälfte seines Gesichtes vernarbt und bleibt fast unbeweglich. Nur neun Wochen nach dem Unfall gehen die Dreharbeiten zu Raintree Country weiter: Aufmerksame Beobachter erkennen, welche Monty-Szenen vor dem Unfall und welche danach gedreht worden sind (im Original übrigens auch an seiner nun tieferen Stimme).

Ich werde wohl nie
erfahren, welche Schuhe …

Für den Rest seines Lebens gerät der extrem labile Perfektionist („Schauen Sie, ich bin nicht seltsam. Ich versuche lediglich ein Schauspieler zu sein; kein Filmstar, ein Schauspieler“) in immer stärkere Abhängigkeit von Medikamenten, Alkohol – und in die seines Psychiaters. Nur noch sieben weitere Filmrollen folgen, unter anderem die des Gehirnchirurgen in Plötzlich im letzten Sommer (Suddenly, Last Summer, mit Elizabeth Taylor und Katharine Hepburn; Regie: Joseph L. Mankiewicz, 1959), die eines im Leben gescheiterten Rodeoreiters in Misfits – Nicht gesellschaftsfähig (The Misfits, mit Clark Gable und Marilyn Monroe in ihren letzten Rollen; Regie: John Huston, 1961) und die eines jüdischen KZ-Überlebenden in Das Urteil von Nürnberg (Judg[e]ment at Nuremberg, mit Spencer Tracy, Burt Lancaster, Marlene Dietrich und Judy Garland; Regie: Stanley Kramer, 1961).

In besonderem Maße verhängnisvoll erweist sich für Montgomery Clift die Übernahme der Titelrolle in John Huston’s Filmbiografie über Sigmund Freud (Freud – The Secret Passion, 1962). Man wirft Montgomery horrend teure Verzögerungen der Dreharbeiten infolge seines Alkohol- und Drogenmissbrauchs vor. In Wahrheit kommen wohl der große Regisseur und der große Schauspieler nicht mehr miteinander aus. Eine Reihe von Klagen (Filmstudio gegen Clift, Clift gegen Filmstudio) hat zur Folge, dass Clift vier Jahre lang keinen Film mehr drehen kann. Vor Gericht gewinnt übrigens am Ende mein Monty. Geholfen hat es ihm wenig:

Alkohol, Tabletten, Drogen: Es ist
so schade um Monty! Foto
aus seinen letzten Jahren

Montgomery Clift stirbt, erst 45 Jahre alt, am 23. Juli 1966 in seiner New Yorker Wohnung an einem Herzinfarkt. Anscheinend nahm er sich mit einem Cocktail aus Pillen und Alkohol das Leben. Dann war seine Seele frei.

Ihr habt sicher gemerkt: den Monty mag ich sehr. Und auch die Fachwelt ist begeistert. Schöne Sätze über Monty gibt es etwa von Rupert Everett (“You could see all sorts of things in his eyes. And there aren’t actors or films or probably emotions like that anymore”) und Donna Reed (“I had never worked with any actor like him; to watch him was incredible and memorable. He had a talent and a side to our profession I had never seen before, just superb”). Der Rupert und die Reed scheinen ja ebenso schwer beeindruckt zu sein wie ich. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr in diesen modernen Zeiten auf einigen Websites in Leben und Werk des wunderbaren und verwundbaren Montgomery Clift stöbern. Genannt seien nur die offizielle Website www.cmgww.com/stars/clift/ sowie die Fansite www.montyclift.com/shrine/. Und vergesst mir www.youtube.com nicht! Ich wünsche Euch gute Unterhaltung.

PS: Die hier verwendeten Fotos sind auf www.flickr.com zusammengeklau(b)t.