Herzlichkeit und Kraft und Freiheit: Tina Turner!
Ui, das klingt ja direkt bombastisch. Erinnert mich irgendwie an eine Hymne. Aber es passt doch richtig gut, weil ich schließlich über eine Jahrhundertfrau schreiben will: Mein Mensch des Monats November kann niemand anderer sein als Tina Turner, die am heutigen 26. November ihren 70. Geburtstag feiert. Liebe Tina, alles Liebe und noch viele glückliche und gesunde Jahre wünscht Dir Dein Bryan!
Als Anna Mae Bullock wurde Tina Turner 1939 im US-Bundesstaat Tennessee geboren. Ihre Mutter war eine temperamentvolle Frau mit indianischen Wurzeln, ihr Vater der Vorarbeiter auf einer Baumwollplantage. Im Kirchenchor ihrer Heimatgemeinde Nutbush sammelte Anna Mae erste Erfahrungen als „Sängerin“. Ihre Kindheit war eher schwierig, die Eltern trennten sich nach jahrelangen Streitereien. War ihre fast drei Jahre ältere Schwester Alline noch ein Wunschkind gewesen, so widerfuhr Anna Mae das Leid, das ungewollte Kind einer sich auflösenden Verbindung zu sein. In ihrer auch heute noch lesenswerten Biografie „Ich, Tina. Mein Leben“ aus dem Jahr 1986 schreibt sie über jene Zeit: „Ich kam mir vor wie ein totaler Außenseiter, so als wäre ich der Einzige von meiner Art. Ich zog ganz alleine los, hinaus in die Welt, wanderte durch die Wiesen und besuchte die Tiere. Ich war einsam, ergab mich diesem Schicksal aber nicht. Ich sagte nur: ‚Okay, dann ist es eben so‘, und ich glaube, ich gewöhnte mich daran. Ich hatte meine eigenen Dinge, die mir wichtig waren, meine eigene Welt sozusagen. Und das war für mich der Anfang. Ich hatte niemanden, hatte in meinem Leben kein Fundament, daher musste ich selbst sehen, wie ich zurechtkam. Das war immer so. Vom ersten Tag an musste ich mir meinen Weg in dieser Welt suchen, musste stark werden und erkennen, welche Aufgabe dieses Leben für mich bereithielt.“
Tja, das Leben. Es hielt einige Jahre später den schrecklichen Unfalltod ihrer geliebten älteren Cousine und besten Freundin Margaret bereit, mit dem Anna Maes Kindheit endgültig zu Ende war. Im Jahr 1958, sie war inzwischen zum ersten Mal Mutter eines Sohnes geworden, lernte sie in der Blues-Metropole St. Louis den charismatischen Gitarristen, Sänger und Songschreiber Ike Turner kennen. Er gab ihr erst einen Job als Backgroundsängerin seiner Band „Kings of Rhythm“, dann den Namen Tina, im Jahr 1962 nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes die Heiratspapiere – und in den folgenden Jahren schließlich verdammt viele Schläge. Mag heute vielleicht manches verziehen sein (Ike Turner starb im Dezember 2007): Wer von Euch im biografischen Film „Tina – What’s Love Got to Do with It?“ (1992) die grandiose Angela Bassett als Tina Turner gesehen hat, den packt wahrscheinlich genau wie mich die kalte Wut über die Brutalität des zunehmend drogenabhängigen Ike. Nach jahrelanger Drangsal, vielen Vergewaltigungen und einer letzten Schlägerei mit viel Blut verlässt Tina im Juli 1976 ihren Ehemann für immer. Eben noch das Aushängeschild der weltberühmten „Ike & Tina Turner Revue“, droht ihre Gesangskarriere nun zu versanden.
Um den langwierigen Scheidungsprozess abzukürzen, verzichtet Tina 1978 auf Unterhaltszahlungen ihres Exmannes und auf alle Rechte an der gemeinsamen Musik. Nur ihren Künstlernamen will sie behalten. In den nächsten Jahren tingelt Tina von einer verrauchten Musikbar zur nächsten Disco-Spelunke und singt oft vor nur wenigen hundert Zuschauern. Sie zieht ihre Söhne Craig und Ronald Renelle groß (und zudem zwei Stiefsöhne von Ike!), steht am Tiefpunkt ihrer Karriere mit einer halben Million Dollar Schulden da und lebt von Sozialhilfe. Für die großen Plattenfirmen gilt Tina Turner sieben Jahre lang als abgehalfterter und nicht vermarktbarer Altstar.
Aber „Per aspera ad astra“, wie der Latein-Bär sagt, was Euer Duden so schön mit „Auf rauen Wegen zu den Sternen“ übersetzt. In Tinas Fall darf ich schreiben: „Durch die Hölle zum Star!“ Denn 1984 beginnt Tina Turners fulminante Solokarriere. Bereits ihr erstes Album Private Dancer erreicht ein Millionenpublikum und bekommt die höchsten Auszeichnungen der Musikbranche. Im Fußballstadion von Rio de Janeiro singt sie 1988 vor 188.000 Menschen – bis heute der Zuhörerrekord für eine einzelne Sängerin. Als Solokünstlerin hat Tina Turner über 500 Konzerte in 25 Ländern gegeben, für keinen anderen Allein-Interpreten der Musikgeschichte sind mehr Konzertkarten verkauft worden als für sie!
Weltumspannende Tourneen, riesige Platten- und CD-Verkaufszahlen (die Angaben darüber schwanken gegenwärtig zwischen 170 und 200 Millionen), Superlative für Super-Tina gibt es also viele. Aber die beliebte und gefeierte Künstlerin hat in den miesen Jahren zum Buddhismus gefunden und nimmt sich zwischen ihren großen Tourneen (genannt seien die Foreign Affair Tour 1989, die Wildest Dreams Tour 1996 und die Twenty Four Seven Tour 2000) viel Zeit für die wesentlichen Dinge im Leben. Sie hat 1985 ihren Wohnsitz nach Europa verlegt, lebt jahrelang in Köln und ist seit 1994 in zwei Villen in Küsnacht bei Zürich und in Südfrankreich zu Hause. Im deutschen Musikproduzenten Erwin Bach hat Tina ihren Lebensmenschen gefunden, bereits seit 1986 sind die beiden ein offenkundig sehr glückliches Paar. Über ihren Lebensgefährten sagte sie einmal: „Egal, wo er hingeht, ich werde mit ihm gehen.“ Das ist so schön, dasselbe sage ich meinen Bärenfreunden immer über den Papi!
Sicher mehr versprochen hat sich Tina allerdings von ihrer Filmkarriere. Die ist buchstäblich im Sande verlaufen, seht nur ihre bemerkenswerte Darstellung der Aunty Entity in „Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel“ aus dem Jahr 1985, mitsamt ihrem Titelsong We Don’t Need Another Hero. Viel mehr war nicht. Aber wenigstens hat es im James-Bond-Klassiker „GoldenEye“ zum gleichnamigen und kommerziell sehr erfolgreichen Titelsong gereicht … Tina Turners letztes reguläres Album Twenty Four Seven erschien im Jahr 1999.
Ende April 2008 gab Tina Turner in der „Oprah Winfrey Show“ bekannt, erneut auf Tournee gehen zu wollen. Der Vorverkauf für die 50th Anniversary Tour begann am 12. Mai, nach zwei Minuten war das Eröffnungskonzert in Kansas City ausverkauft. Anlässlich ihrer vier Konzerte in München habe ich ja im Februar 2009 erstmals über Tina Turner berichtet. Ihre von Oktober 2008 bis Mai 2009 dauernde Tournee ist inzwischen auf einer im niederländischen Arnhem aufgenommenen Live-DVD verewigt worden. Wenn Ihr also eine prächtige Löwenmähne an einem Ende, High Heels am anderen und ein paar atemberaubende Kostüme dazwischen über die Bühnen wirbeln sehen wollt, bitte. Ich werde mich weiterhin auf Tinas innere Werte, etwa ihre ungebrochene und kraftvolle Stimme, konzentrieren. Und natürlich auf ihr wunderbares Lächeln, ihre einzigartige Herzlichkeit. Hab ich eigentlich schon gesagt, dass ich Tina sehr mag?
Tina Turner hat sicher so vielen von Euch so viel positive Kraft gegeben. Doch inzwischen liebt Tina die Ruhe, ein gutes Buch und so: „Ich bin einfach gern zu Hause. Dort kann ich die Musik hören, die mir gefällt, und meinen eigenen Lieblingswein trinken.“ Doch an dieser Stelle gibt es denn doch etwas zu meckern: Warum hat es Tina Turners Musikmanagement in all den Jahren nicht geschafft, ihr mehr wirklich geeignete Songs auf den Leib und die Stimme schneidern zu lassen? Wer sich mal Something Special auf ihrer All the Best-Doppel-CD (2004) angehört hat, der weiß, was ich meine (als positives Beispiel!). Also noch mal: Warum nur versäumt es das Management, die besten Songschreiber aller Zeiten für neue Tina-Lieder antreten zu lassen? Soll die und Tina doch ruhig wer im Winter ins Studio verschleppen und nur wieder gehen lassen, wenn eine schöne neue CD fertiggestellt ist. Im Sommer kann Tina dann gerne ihre Gartenarbeit machen! Aber nein, dieses Management lässt meine Süße lieber für eine sündhaft hohe Gage bei der Fünfzehnjahr-Jubiläumsfeier des Energiekonzerns Gazprom im Februar 2008 in Russland auftreten. Da hätte sie doch besser bei uns im Wohnzimmer gesungen!
Erwähnenswert ist allemal Tinas neuestes Projekt: Im Juni 2009 brachte sie gemeinsam mit zwei Freundinnen das Album Beyond heraus. Es enthält spirituelle, buddhistische und christliche Gesänge. Die Yoga-Lehrerin und Musiktherapeutin Regula Curti singt, die Mantra-Sängerin Dechen Shak-Dagsay singt – und Tina singt nicht, sie spricht nur, wenn auch sehr einfühlsam und bewegend (alle Einnahmen aus diesem Projekt fließen in friedensfördernde Projekte verschiedener Kulturen und Religionen).
Da komme ich lieber wieder zu den Liedern, bei denen sich mein Fell kräuselt und mich der Papi ganz lieb in die Arme nimmt: neben dem genannten Something Special etwa zu On Silent Wings, zu Steamy Windows (bevorzugt natürlich im Audi TT zu hören! Oh, so ein TT ist doch prinzipiell das Gegenteil von Schleich-Werbung für Tina Turner …), Talk to My Heart, Paradise is Here, Private Dancer und selbstredend zu The Best, den meisten von Euch besser bekannt als Simply the Best. Und nun habe ich nur noch einen Wunsch: Lasst Euch bitte von Tina Turners Temperament und ihrer Herzlichkeit anstecken und nicht von der Schweinegrippe! Tina, Tina über alles …