Mensch des Monats

Feuchte Poren wegen Loren

Bella donna: unverkennbar die junge
Sophia Loren (Foto: www.geocities.com)

Wenn ich den Bärli frage, was er von einer Diva hält, rümpft er für gewöhnlich die Nase. Doch es gibt eine Ausnahme. Bei deren öffentlichen Auftritten fiebert Bärli vorm Bildschirm mit. Er wirft sich mit Schals in Schale und lächelt minutenlang möglichst unnahbar und huldvoll zugleich. Und dann ruft er laut: „Alles, was Sie hier sehen, verdanke ich Spaghetti!“ Bärlis Bärenfreunde wissen längst: Es gibt nur eine, die in aller Öffentlichkeit ihren Schönheitschirurgen Doktor Spaghetti nennt: die unvergleichliche, hinreißende, fantastische Sophia Loren.

Die italienische Filmlegende wurde am 20. September 1934 nicht ehelich in Rom geboren. In ärmlichsten Verhältnissen ist Sofia Villani Scicolone, so ihr bürgerlicher Name, in der Kleinstadt Pozzuoli bei Neapel aufgewachsen. Ihre (alleinerziehende) Mutter versuchte, die Schönheit ihrer älteren Tochter zu vermarkten: Misswahlen, Fotoromanzen, Komparsenauftritte. Das Dirk Jasper FilmLexikon schreibt etwas schonungsloser über Sophia: „Sie schlug sich […] als Leinwandnackedei in Billigproduktionen durch, bis sie von Produzent Carlo Ponti entdeckt wurde, der als Jurymitglied einer Schönheitskonkurrenz fungierte. Er verschaffte ihr eine Schauspielausbildung und bessere Rollen.“ Ihr späterer Ehemann Ponti erfand wohl auch den Namen Loren. Der wird auf Italienisch übrigens auf der ersten Silbe kurz betont. Der Papi und ich finden das viel erotischer als das hierzulande oft zu hörende Loreeen. Probiert beides und vergleicht selbst, die feuchten Poren im Titel sind auch pädagogisch wertvoll!

Die Loren bei der Oscar-Verleihung im Februar 2009. Ein Foto von Chrisa Hickey (www.flickr.com)

Der Einfluss des zweiundzwanzig Jahre älteren Filmproduzenten Ponti auf ihr Leben und ihre Karriere war gewaltig: Bald überholte Sophia Loren (ein Zwischenruf von Bärli: „In welchem Auto? Sicher in einem Mercedes SL!“) ihre nationale Konkurrentin Gina Lollobrigida und avancierte kurvenreich zum internationalen Filmstar: Hausboot (1958), Und dennoch leben sie, Es begann in Neapel (beide 1960) sowie Die Gräfin von Hongkong (1967) sind unsere Lieblingsfilme von ihr. Sophia Loren ist eine großartige Schauspielerin! Sie spielte ebenbürtig neben anderen Hollywood-Weltstars wie Cary Grant, Paul Newman und Gregory Peck. In italienischen Produktionen war ihr Filmpartner oft Marcello Mastroianni, ihr bevorzugter Regisseur hieß Vittorio De Sica. Zuletzt stand sie im zweiten Halbjahr 2008 für den amerikanischen Musicalfilm Nine von Rob Marshall vor der Kamera. Dieser Film mit Daniel Day-Lewis, Nicole Kidman und Judi Dench wird in den USA Ende November in die Kinos kommen. Ob da die Männer wieder Schweißausbrüche kriegen werden?

Konzentriert Euch bitte
auf das Gesicht! (Foto: www.lorenarchives.com)

Sophia Lorens über Jahrzehnte währender Ruhm scheint unvergänglich. „Alles ist die Frucht von Disziplin, Hingabe und Opfern. Und von Dickköpfigkeit“, hat sie vor Jahren über das Geheimnis ihres Erfolges gesagt. Kleinere juristische Schwierigkeiten wie etwa die Anklage wegen Konkubinat und 1962 die Annullierung ihrer 1957 geschlossenen „italienischen“ Ehe mit Carlo Ponti oder auch die Anklage und Verurteilung wegen Steuerhinterziehung 1980/1982 konnten ihr wenig anhaben. Ebenso wenig kratzte ihre Unterstützung für die rechtsradikale Politikerin und frühere Schauspielerin Alessandra Mussolini (ihrer Nichte) an Lorens Ruf. Einige Fotos von ihr, zum Beispiel die in www.wikipedia.de abgebildeten, beweisen vielmehr, dass die Loren im Jahr 1992 älter war als Anfang des Jahres 2009. Eben einfach göttlich!

Ihre charismatische Ausstrahlung fasziniert, Punkt. Vor fünf Jahren schrieb die Süddeutsche Zeitung über das Erscheinen der Loren auf dem Filmfestival in Venedig: „Da stand sie, die wohl letzte große Diva unserer Zeit: Trägerloses Kleid, tiefer Ausschnitt, die Schultern entblößt – nur ein paar leise Fältchen um den Mund ließen Spuren der Zeit erahnen. Die anderen Stars und Sternchen auf der Bühne waren gut 40 Jahre jünger als sie – eine Chance hatten sie trotzdem nicht.“ Später hieß es dann: „Dabei hat sie sich längst ein zweites Image zugelegt. Mamma Sophia nennen die heimischen Medien sie heute – ein größeres Lob kann es in Italien nicht geben. Lasziv und verführerisch, zugleich bodenständig und mit Herzenswärme, frivol und doch moralisch, so waren auch die größten Rollen der Diva.“

Klingt nach mehr: Prinzchen (l.) und
ich mit Hausboot und Kindermädchen.
Und Cary Grant ist auch dabei!

Was aber, wenn der Vorhang fällt? Wenn niemand mehr da ist? Selbst wenn ich wie Lady Loren eine Villa am Genfer See, eine Ranch in Kalifornien, einen Palazzo in Rom, ein Chalet in der Schweiz und eine Wohnung in New York mein Eigen nennen würde: Ohne meinen Papi sag’ ich nichts! Sie aber spricht: „Ich bin Fatalist, ich denke, alles, was man tut oder nicht tut, steht irgendwo bereits geschrieben, alles hat seine Bewandtnis.“ Ob Großmutter Loren nicht inzwischen manchmal einsam ist? Ihr Ehemann Carlo Ponti starb nach weit über fünfzigjähriger Partnerschaft im Januar 2007, die erst nach mehreren Fehlgeburten geborenen Kinder (Sohn Carlo jr. kam 1968, Sohn Edoardo 1973 zur Welt) leben längst ihr eigenes Leben als Dirigent bzw. als Regisseur und Drehbuchautor.

Liebe Freunde, in den nächsten Tagen werdet Ihr mit Informationen über Sophia Loren überschüttet werden. Anlässlich ihres 75. Geburtstages wird die Presse das Leben der Loren ausgiebig Revue passieren lassen. Mal wird sie dann als ehrgeizige Rampensau mit Hang zu inszenierter Publicity geschildert werden, mal als italienisches Vollblutweib mit Mutterwitz und viel Lebenslust und Verstand. Vielleicht werdet Ihr merken, wie untrennbar Euer Bild von Italien mit Eurer Vorstellung von dieser Frau verbunden ist. Ich will Euch an dieser Stelle gerne einen von Yann-Brice Dherbier herausgegebenen Bildband empfehlen, nämlich SOPHIA LOREN. Bilder eines Lebens. Diese Augenweide ist Ende November 2008 im Leipziger Henschel-Verlag erschienen, hat 192 Seiten und kostet 34 Euro. Da könnt Ihr dann hemmungslos schwelgen, versprochen! Auch die Website www.lorenarchives.com ist empfehlenswert. Aber vielleicht noch sinnvoller ist es, sich ein paar Filme mit Sophia Loren anzusehen. Und sicher werdet Ihr dann verstehen, warum ich nun noch unbedingt ihre deutsche Synchronstimme vorstellen will: Marion Degler. Auch die hatte sicher manchmal feuchte Poren wegen Loren!

Marion Degler in
jüngeren Jahren (Foto: www.lorenarchives.com)

Leider lässt sich nur wenig über Marion Degler herausfinden: Offensichtlich mag sie auch keine Bilder von sich im Netz sehen – nur drei klitzekleine hat der Papi gefunden. Aber ein bisschen was kann ich Euch erzählen. Jene Marion Degler wurde am 17. September 1929 in Berlin geboren. Sie feiert also drei Tage vor dem Ehrentag der Loren ihren 80. Geburtstag. Herzliche Gratulation! Ein kleiner Bär und sein Papi bedanken sich für eine unverwechselbare, sympathische, warme und bezaubernde Stimme! Und ganz wichtig: Diese begnadete Stimme habt Ihr wahrscheinlich auch bei einigen anderen Weltklasse-Schauspielerinnen im Ohr: Die junge Elizabeth Taylor (etwa in Das Land des Regenbaumes und in Die Katze auf dem heißen Blechdach) und die junge Audrey Hepburn (unter anderem in Ein Herz und eine Krone und in Frühstück bei Tiffany) sprechen mit Marion Deglers Stimme Deutsch.

Marion Degler in späteren Jahren (Foto: www.synchronfreak81)

Die in Oberschlesien aufgewachsene Künstlerin besuchte nach einer Ausbildung zur Laborassistentin die Schauspielschule des Hebbel-Theaters in Berlin. Danach war Marion Degler jahrelang als Schauspielerin an Berliner Theaterbühnen sowie im Hörfunk und bei Film und Fernsehen tätig (auf www.youtube.com ist eine köstliche Szene mit ihr aus Wenn der Vater mit dem Sohne zu bewundern!). 1962 ging sie nach Wien und war über 30 Jahre lang Ensemblemitglied am Theater in der Josefstadt. In den Jahren 1952 bis 1996 war die zweimal verheiratete Marion Degler eine vielbeschäftigte Synchronsprecherin. Zwischen 1953 und 1984 lieh sie Sophia Loren ihre Stimme. Es kann gut sein, dass Ihr die Degler zudem mal als deutsche Stimme von Deborah Kerr, Jean Simmons, Anouk Aimée, Kim Novak oder Donna Reed vernommen habt. Mehrmals war sie übrigens auch für Lorens Erzrivalin Gina Lollobrigida im Einsatz.

So, rund zwei Drittel Mensch des Monats September für die Göttin Sophia Loren, etwa ein Drittel für den Menschen Marion Degler. Hoffentlich ist’s recht so!