Mensch des Monats

Anfeuern statt feuern: der Unternehmer Götz Werner

Liebe Freunde, ich bin etwas zu spät dran, ich weiß. Aber der Papi meint, dass ich den Artikel über meinen Menschen des Monats Februar gut und gerne auch erst Anfang März ins Netz stellen könne. Also los: Wenn ich mir die bisherigen Menschen des Monats so anschaue, dann waren das mit Ausnahme von Barack Obama immer Künstler und Künstlerinnen. Heute nun ist erstmals ein Mensch der Wirtschaft dran, ein bärenstarker natürlich: Götz Werner ist ein deutscher Unternehmer, den der Papi und ich seit vielen Jahren sehr schätzen.

Götz W. Werner, mein Mensch
des Monats Februar (Foto: EHI)

Genau deswegen werdet Ihr den Papi recht oft in einem Drogeriemarkt antreffen. Aber nicht in irgendeinem, sondern im dm-drogerie markt! Der Papi kurbelt dort den Umsatz nach Kräften und jedenfalls sehr gerne an. Er teilt nämlich viele sozialpolitische Überzeugungen des Gründers, Gesellschafters, Aufsichtsratsmitglieds und langjährigen Geschäftsführers von dm-drogerie markt. Aber der Reihe nach:

Heute geht es um Götz Wolfgang Werner, der am 5. Februar 1944 und also während des Zweiten Weltkriegs als fünftes Kind einer Drogistenfamilie in Heidelberg geboren wurde. In Konstanz am Bodensee besuchte er eine Handelsschule und machte nach der Mittleren Reife eine Drogistenlehre. Nicht dass ich es vergesse: Auch während dieser Ausbildung betrieb er sein Hobby Rudern dermaßen leidenschaftlich, dass er 1963 den Deutschen Meistertitel im Doppelzweier errang (bei Doppelzweier habe ich ja bisher eher an den Papi und mich gedacht). Vor dem Eintritt ins elterliche Drogeriegeschäft in Heidelberg erwarb sich Götz Werner fünf Jahre lang in verschiedenen Handelskonzernen eine gründliche Berufspraxis. Doch dann musste das Werner’sche Familienunternehmen Insolvenz anmelden! Eine Karlsruher Großdrogerie war Götz Werners nächste berufliche Station. Als jedoch die dortige Geschäftsführung seinen innovativen Ideen – Einführung des Discounter-Prinzips bei kompetenter Kundenberatung – nicht folgen wollte, verließ er seinen Arbeitgeber und machte sich selbstständig.

Und wie: 1973 gründete Götz Werner ebenfalls in Karlsruhe seinen ersten Drogeriemarkt. Fünf Jahre später gab es bereits mehr als 100 dm-Filialen in Deutschland; im Geschäftsjahr 2008/09 waren es 2.221 Zweigstellen in neun europäischen Ländern (in Deutschland 1.105). Das Unternehmen beschäftigt zurzeit rund 33.500 Mitarbeiter und setzte im genannten Geschäftsjahr 5,2 Milliarden Euro um. Mitte Mai 2008 zog sich Götz Werner nach 35 Jahren aus der operativen Geschäftsführung zurück und wechselte in den Aufsichtsrat. Er leitet seit 2003 an der Universität Karlsruhe das Interfakultative Institut für Entrepreneurship. Das hat aber nichts mit Schiffen zu tun, sondern mit Existenzgründungen und Unternehmergeist. Des Weiteren ist Götz W. Werner der Gründer der Initiative Unternimm die Zukunft, der Präsident des EHI Retail Institute e.V. in Köln und Aufsichtsratsmitglied der GLS Gemeinschaftsbank. Nach wikipedia-Infos ist er in zweiter Ehe mit Gattin Beatrice verheiratet und hat sieben Kinder.

Einen wie ihn bräucht’ man in Berlin!
(Foto: daserste.de)

Aber schnell zurück zum Stichwort „Unternehmergeist“: Der Papi und ich halten Götz Werners außergewöhnliche Art der Unternehmens- und Menschenführung für absolut vorbildhaft! Sein betont nicht-autoritäres Führungskonzept nennt Werner übrigens „Dialogische Führung“. Es beruht auf den Grundwerten von Verständnis und Respekt, der Dialog wird der Anweisung vorgezogen. Der bekennende Anthroposoph Götz Werner richtet seine Unternehmensphilosophie demgemäß nach den Prinzipien von Vertrauen, Kreativität und Persönlichkeitsentwicklung aus. Besonders bemerkenswert: Seine Mitarbeiter stehen nicht unter Personalkosten, sondern als Kreativposten mit Mitarbeitereinkommen in der Bilanz. Oft bezeichnet er seine Mitarbeiter auch einfach nur als sein Kapital! Prämien- und Bonussysteme wiederum betrachtet Götz Werner als permanentes Misstrauen gegenüber der Leistungsbereitschaft seiner Mitarbeiter.

Freilich, bis Götz Werner so weit war, sind viele Jahre ins Land gegangen: Als 1973 in Westdeutschland die Preisbindung für Drogerieprodukte aufgehoben wurde, weitete er zunächst nur das Discounter-Prinzip (Selbstbedienung, hohe Rabatte infolge Großeinkäufen) vom Lebensmittelhandel auf den Drogeriemarkt aus. Erst als sich die konventionellen Unternehmensstrukturen als zu bürokratisch und schwerfällig erwiesen, änderte er Anfang der 1990er-Jahre schrittweise dessen interne Organisation. Lest hierzu einfach mal bei wikipedia.de nach: „Die Filialen erhielten zunehmend mehr Selbstverantwortung und Eigenkontrolle. Heute bestimmen die dm-Filialen vor Ort selbst ihr Sortiment, ihre Dienstpläne, zum Teil die Vorgesetzten und sogar die Gehälter. Dieser Gestaltungsspielraum der Mitarbeiter bei Entscheidungen ist nach Ansicht von Analysten der Grund für konkurrenzfähige niedrige Preise bei vielen Produkten sowie einer hohen Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit.“ Einen dm-drogerie markt mit nur einem Angestellten und keinem Telefon hat Euer Bryan noch nie gesehen. Und von manchem dm-Mitbewerber würde ich statt schlechter Wirtschaftsnachrichten viel lieber in der Zeitung lesen, dass er seine Angestellten anständig bezahlt und menschlich mit ihnen umgeht. Ich könnte ja wirklich Namen nennen, aber ich halte lieber mein Schleckermäulchen …

Es klingt sehr schön und stimmt zudem: Auch die Berufsausbildung bei dm-drogerie markt ist eine besondere und wurde mehrfach ausgezeichnet. Die von Götz Werner Lernlinge genannten Auszubildenden absolvieren während ihrer Lehrzeit zwei Mal ein achttägiges Theaterprojekt. Mit Unterstützung von Profis sollen die Lernlinge in Götz Werners Worten Team- und Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, zielgerichtetes wie situationsangemessenes und flexibles Handeln einüben. Die sich ständig ändernden Marktbedingungen vergleicht der begeisterte Ruderer gerne mit einem permanenten Wildwasser.

Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein:
denn bei dm ist’s immer fein! (Foto: dm)

Der vielfach geehrte Unternehmer engagiert sich auf vielen gesellschaftspolitischen und kulturellen Feldern. Natürlich könnt Ihr sagen, so ein einfacher Milliardär (das manager magazin schätzte 2005 Werners Vermögen auf einskommanullfünf Milliarden Euro) kann sich das leisten. Doch wie viele von Götz Werners „Kollegen“ denken nur an sich und ihres Geldes Wohlergehen?! Götz Werner dagegen denkt nach und kommt zu elementaren Schlussfolgerungen. So setzt er sich seit dem Jahr 2005 öffentlich für ein bedingungsloses Grundeinkommen in Deutschland ein. Die geniale Finanzierung dieses Grundeinkommens beruht auf einem von ihm bereits seit 1982 entwickelten Konzept: Die Einkommensteuer wird allmählich abgeschafft und gleichzeitig wird die Mehrwertsteuer als Konsumsteuer auf über 50 Prozent erhöht. Darüber solltet Ihr mal in aller Ruhe und ohne Vorbehalte nachdenken. Eine Gesellschaft sollte wie auch ein Unternehmer und wie jeder einzelne Mensch immer offen für Neues sein, nicht wahr? Zum Thema „bedingungsloses Grundeinkommen“ gibt es von bzw. mit Götz Werner interessante Bücher (etwa Wirtschaft – das Füreinander-Leisten [2004] oder Einkommen für alle. Der dm-Chef über die Machbarkeit des bedingungslosen Grundeinkommens [2007]) und Dokumentarfilme (wie Grundeinkommen für alle [2007]). Für den Papi und mich klingen Götz Werners Ideen sehr plausibel und überzeugend. Aber ich rede mich natürlich auch leicht: Sind wir Teddybären vielleicht deshalb viel freundlicher und friedlicher als viele von Euch Menschen, weil wir keinen Stress wegen allfälliger Verdienstnotwendigkeiten haben?

Zum Abschluss noch ein paar von mir bärsönlich ausgewählte Zitate von Götz Werner, die Euch sein Denken nahe- und näherbringen können: Aufgabe der Wirtschaft, abgesehen von der Güterproduktion, ist es, die Menschen von Arbeit zu befreienEinkommen ist ein Bürgerrecht, Vollbeschäftigung eine Illusion. Also müssen wir Arbeit und Einkommen trennen; Revolutionär denken, evolutionär umsetzen; Hartz IV ist offener Strafvollzug. Es ist die Beraubung von Freiheitsrechten. Hartz IV quält die Menschen, zerstört ihre Kreativität. Ja gewiss, der Papi und ich wünschen diesem Land viele Unternehmer wie Götz W. Werner. Aber ach, die Zeit für das bedingungslose Grundeinkommen ist anscheinend noch nicht reif. Ich fürchte, Götz Werner wird die grandiose Verwirklichung seiner Ideen nicht mehr erleben. Doch von mir bekommt er heute das Goldene Bärenverdienstkreuz!