Meine Freunde

Guter Mond, Du gehst so stille …

… durch die Abendwolken hin: Mit diesen Zeilen eines alten deutschen Volksliedes grüße ich in mancher Nacht meinen verehrten Freund, den Mond. Ihr Menschen habt ihn ja vor genau vierzig Jahren das erste Mal betreten. Viele Jahre hattet Ihr um den ersten Mann auf dem Mond gewetteifert. Und lange Zeit war ungewiss, ob ein Amerikaner oder ein Russe das Rennen machen würde. Euer Bryan hingegen hätte auf jeden Fall drei Frauen auf die Reise zur Mondgöttin geschickt. Daran hat keiner von Euch auch nur ansatz- oder eben absatzweise gedacht. Mag zwar sein, dass das geringere Eigengewicht durch drei Beautycases mehr als aufgewogen worden wäre. Aber wem außer mir kommt gerade Walentina Tereschkowa in den Sinn? Die am 6. März 1937 geborene sowjetische Kosmonautin war im Juni 1963 die erste Frau im Weltraum – und bis zum Raumflug von Swetlana Sawizkaja gut 19 Jahre später auch die einzige! Aber es heißt schließlich auch bemannte und nicht befraute Raumfahrt. Kein Kommentar und Exkurs-Ende, ich will doch zum Mond!

Vollmond über Belgien (Foto: Luc Viatour)

Am Ende des wahnwitzigen Wettlaufs zum Mond waren auf amerikanischer Seite 25 Milliarden Dollar ausgegeben worden … so manches Menschenkind ist darüber verhungert. Ja gewiss, Euer Bryan hätte im großen Bärenrat eine Mondexpedition erst dann erlaubt, wenn die Menschen vorher den Hunger in der Welt beseitigt hätten. Aber auch hier gilt: Außer dem Papi fragt mich ja keiner.

Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass der Mond sich über Euren Besuch gefreut hat. Nicht weil Ihr ihn erst mal mit Füßen getreten, ein paar künstliche Mondbeben ausgelöst und Laser-Reflektoren und anderes in seinen Boden gerammt habt. Nein, Ihr seid vor allem aus Prestigegründen, Machtstreben und Profitgier da rauf. Mein ferner Freund hätte da wohl doch lieber seine Ruhe gehabt.

Ein alter Freund mit vielen Rätseln, zum Beispiel dem seiner Entstehung. Obwohl Ihr dem Mond mittlerweile 382 Kilogramm seines Gesteins geraubt habt (Bärli macht sich bereits Gedanken um seine Umlaufbahn!), konnte die physikalische Altersbestimmung verschiedener Mondgesteine bisher keine eindeutige Erklärung liefern. Wegen der großen Ähnlichkeit des Mondgesteins mit der Erdkruste erscheint den Wissenschaftlern ein gewisser „Entstehungszusammenhang“ sehr wahrscheinlich. Im November 2005 datierte ein renommiertes internationales Forscherteam erstmals die Geburtsstunde des Mondes anhand einer Analyse des Isotops Wolfram-182. Die Wissenschaftler berechneten das Alter des Mondes auf 4.527 ± 10 Millionen Jahre. Somit ist der Mond bereits 30 bis 50 Millionen Jahre nach der Herausbildung des Sonnensystems entstanden. Ich bin schwer beeindruckt! Allerdings sind andere Forscher früher auf nur 2,5 Milliarden Mondjahre gekommen. Und da veranstaltet Ihr Menschen gerade wegen vierzig Jahren Mondgeschichte ein Riesentamtam!

Bärli: Erste Tests nach dem
Verlassen der Umlaufbahn.
Wenn Tedddybären träumen …

Ich will nicht alle Entstehungstheorien durchhecheln, wie etwa die Abspaltungs-, die Einfang-, die Schwesterplanet- und die Viele-Monde-Theorie. Heute ist die Kollisionstheorie das weithin anerkannte Modell zur Entstehung des Mondes. Sie besagt, dass es vor etwa 4,5 Milliarden Jahren ordentlich PLATSCH und RUMMS gemacht hat: Ein Himmelskörper von der Größe des Mars kollidierte nahezu streifend mit der sogenannten Proto-Erde, also der Erdvorläuferin. Dabei schleuderte verdammt viel Materie, vorwiegend aus der Proto-Erdkruste und dem Mantel des einschlagenden Körpers, in eine Erdumlaufbahn. Dieses Material ballte sich dort zusammen und formte schließlich den Mond. Der Großteil des Einschlagkörpers vereinte sich der Kollisionstheorie zufolge mit der Proto-Erde zur Erde. Damals umrundete aber der Mond Euren Heimatplaneten lediglich in einer Höhe zwischen 20.000 und 60.000 Kilometern. Das muss zwischen beängstigend und supertoll ausgesehen haben! Bei den damals herrschenden, fürchterlich hohen Gezeitenkräften müsst Ihr Euch allerdings die Erde und den Mond eher eiförmig vorstellen.

Heute kreist der Mond in einer Entfernung zwischen 363.200 und 405.500 Kilometern um uns rum. Seine mittlere Entfernung von der Erde beträgt 384.401 Kilometer und war schon im Altertum annähernd bekannt. Aber diese mittlere Entfernung zwischen dem Mond und der Erde wächst jährlich um etwa 3,8 Zentimeter: eine Nebenfolge der gerade erwähnten geheimnisvollen Gezeitenkräfte, die der Mond auf der Erde bewirkt. Ich sag’s jetzt möglichst einfach und doch kompliziert: Die Rotationsenergie der Erde wird weit überwiegend in Wärme umgewandelt und zu einem Teil als Rotationsenergie auf den Mond übertragen. Dieser Effekt – also abnehmender Drehimpuls der Erdrotation einerseits und Zunahme des Bahndrehimpulses des Mondes andererseits – ist seit 1995 durch Laser-Distanzmessungen abgesichert. Er bewirkt sowohl eine kontinuierliche Verlängerung der irdischen Tageslänge als auch eine ständige Zunahme der Mondumlaufdauer. Der Mond entfernt sich also immer weiter von der Erde, und irgendwann … (der arme Bärli kriegt schon wieder Sorgenfalten!) … werden Eure Nachfahren den Mond etwas kleiner als Ihr jetzt zu sehen bekommen. Der Abstand zwischen Erde und Mond wird dann etwa doppelt so groß sein wie heute. Ins Nirvana entfleuchen kann der Mond aber nach Eurem menschlichen Ermessen nicht. Um es etwas abzukürzen: Nach einigen Milliarden Jahren hätte sich die Eigenrotationsperiode der Erde der verlängerten Mondumlaufperiode angeglichen und der Mond stünde immer über demselben Ort der Erde. Die Menschheit und auch wir Teddybären werden das aber allenfalls in anderen Sonnensystemen erleben: Andere kosmische Ereignisse werden der Erde viel früher den Garaus gemacht haben. Oder auch „menschliche Ereignisse“, passt bloß auf!

Immer wieder schön: Erdaufgang auf dem Mond (Foto: NASA, Apollo 11)

Liebe Freunde, was wissen wir schon mit absoluter Sicherheit? Meine nächstliegenden Fragen wären, wie denn einst die Erde, das Leben, die Sonne, das Sonnensystem, das Weltall und die Schöpferin/der Schöpfer entstanden sind. Ist nicht ALLES auch für Euch ein einziges Rätsel?

Trotzdem noch ein paar Fakten: Der Mond ist laut Lexikon „ein Himmelskörper, der die Erde als Trabant ständig umkreist“ (stellt Euch mal vor, er hätte immer dienstags Besseres zu tun …). Von seinem Äquatordurchmesser (3.475 km) her ist der Mond rund viermal kleiner als die Erde. Seine Masse beträgt 1/81 der Erdmasse, die Schwerkraft auf der Mondoberfläche beträgt 1/6 der irdischen Schwerkraft. Deswegen springen die Menschen auf dem Mond meistens so wie Tanzbären herum.

Leider hat der Mond praktisch keine Atmosphäre. Doch damit käme ich auf Dauer wohl besser zurecht als der Papi. Mit seinem Raumanzug geht Bärli (siehe Foto oben) freilich lieber auf Nummer sicher. Aber dass es so gar kein Grünzeug gibt und keine Lebewesen, das täte mich auf Dauer sicher fertigmachen. Und erst die Temperaturunterschiede: Tagsüber herrschen auf der Mondoberfläche Temperaturen von bis zu plus 130 Grad Celsius, nachts kühlt es sich dagegen auf bis zu minus 160 Grad Celsius ab. Da bleibe ich doch lieber hier und bewundere meinen Freund aus der Ferne.

Genau wie ich kennt jeder von Euch die vier Mondphasen: Neumond, zunehmender Mond, Vollmond und abnehmender Mond. All das wiederholt sich seit Tausenden von Jahren alle 29,5 Erdentage. Infolge seiner Rotation um die eigene Achse in 27,32 Tagen und seiner Bewegung um die Erde in genau derselben Zeit zeigt der Mond der Erde immer die gleiche Oberfläche. Aber sprecht lieber nicht von einer Vorder- und einer Rückseite des Mondes: Das finde ich bei einer sich drehenden Kugel ziemlich seltsam. Übrigens wird die „dunkle“ Seite des Mondes von der Sonne genauso oft beschienen wie die der Erde zugewandte Mondseite. Ein Teddybär auf der erdabgewandten Mondseite würde aber nie die Erde zu Gesicht kriegen! Ist da vielleicht jemand?

Ich kann hier nicht über die geologische Beschaffenheit meines lieben Freundes spekulieren: der mehrere Meter dicken Regolithschicht an der Oberfläche (Sand/Staub), dem Basaltgestein, dem eisenhaltigen Kern mit einer Temperatur von geschätzten 1.200 bis 1.600 Grad Celsius; den Kettengebirgen, Gräben und Rillen; dem Niveau-Unterschied zwischen tiefster Senke und höchstem Gipfel, der 16 Kilometer beträgt; dem vermuteten Wassereisvorkommen in den von der Sonne niemals direkt bestrahlten Polarregionen (dieses Wasser könnte von Kometenabstürzen herrühren).

Den Einfluss des Mondes auf die Erde habe ich bereits angesprochen. Die Gravitationskräfte des Mondes treiben hier auf der Erde die Gezeiten an. Diese Mondkräfte wirken aber nicht nur auf das Wasser und verursachen Ebbe und Flut, sie heben und senken natürlich auch den Erdmantel an. Und so viel ist gewiss: Ohne den Mond gäbe es kein menschliches Leben auf der Welt (und wohl auch keine Teddybären, schluck). Durch seine Anziehungskraft hält der Mond die Welt in Balance, zumindest so einigermaßen.

Unbestritten ist der Einfluss des Mondes auf das Tierleben: Den Stand des Mondes nutzen Zugvögel und einige nachtaktive Insekten zur Navigation. Und das Fortpflanzungsverhalten bei manchen Arten von Ringelwürmern, Krabben und Fischen ist sehr eng an die regelmäßigen Phasenwechsel des Mondes gekoppelt. Könnte gut sein, dass das bei manchen von Euch so ähnlich ist … Was aber die tatsächlichen Mondwirkungen auf Euch Menschen betrifft, so enttäusche – oder beruhige! – ich Euch jetzt eventuell: Es gibt nämlich keine einzige wissenschaftliche Studie, die einen Einfluss des Mondes, zum Beispiel auf Geburten, Unfälle, Operationskomplikationen, Suizide und dergleichen ergeben hat. Mehr noch: Es gibt nur Studien, die solche behaupteten Einflüsse wissenschaftlich eindeutig widerlegen! Nichtsdestotrotz achten manche Menschen, etwa in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Friseurhandwerk, seit vielen Jahrhunderten darauf, dass bestimmte Arbeiten in der Natur in der „richtigen“ Mondphase erledigt werden. Dieses Wissen um die (angeblich) richtige Mondphase hat den „Eingeweihten“ sicher Einfluss auf und Macht über andere Menschen gebracht.

Das 1000-teilige Puzzle
„Mondfee“ von Nene Thomas (www.schmidtspiele.de)

Überhaupt ist klar, dass es in allen archäologisch untersuchten Kulturen Hinweise auf die große kultische Bedeutung des Mondes für die damaligen Menschen gibt. Meist stellte der Mond eine zentrale Gottheit dar, mal als Göttin, mal als Gott. Und fast immer haben Eure Vorfahren dabei die Sonne und den Mond als geschlechtlich entgegengesetzt gedacht. Ein häufig vorkommender Gedanke ist das Bild von den drei Gesichtern der Mondgöttin: bei zunehmendem Mond die verführerische Jungfrau voller Sexualität, bei Vollmond die fruchtbare Mutter und bei abnehmendem Mond das alte Weib oder die Hexe mit der Kraft zu heilen. Wenn Männer phantasieren oder: na servus!

Gegen Ende meiner Mond-Hommage verdamme ich noch fast alle Redewendungen, die hierzulande in Verbindung mit dem Mond verwendet werden. Warum nur wird mein Freund dermaßen verunglimpft? Erst bellt jemand den Mond an, dann wird einer auf den Mond geschossen. Die einen gucken in den Mond, die anderen schreiben etwas in den Mond. Manche Menschen kommen angeblich vom Mond oder sind gar vom Mond gefallen, andere leben auf oder gar hinter dem Mond. Als jemand neulich dem Papi vorwarf, seine Uhr ginge nach dem Mond, da habe ich denjenigen nur angezischt: „Du MARSgesicht!“ … Mehr Respekt, bitte.

Wenn ich mit meinen Bärenfreunden im Mondschein unterwegs bin, sind wir mit uns und der Welt im Einklang. Bärli fühlt sich dann sogar richtig mondän, wie er treuherzig sagt. Für Wohlklang sorgt am Ende die gemeinsam gesungene, leicht veränderte letzte Strophe des erwähnten Volksliedes:

Ach, dass auch in unsre Herzen / Himmelsruhe zöge ein,
dass wir immer frei von Schmerzen / stets zufrieden möchten sein!
Sanft umströmet uns dein Schimmer / klarer, milder Mondenschein,
Bärenherz, o dass du immer / wärst wie dieses Licht so rein!