Bryan empfiehlt

Mit Bryan unterwegs: Colle Sommeiller

Das ist der Gipfel! Aber bis dahin, liebe Freunde, war es ein weiter Weg.

„Wie war es denn in Bärdonecchia?“, fragen wir Teddybären jedes Jahr froh und erleichtert den Papi, wenn er aus seinem großen Fahrradurlaub zurückkommt. Natürlich wissen wir genau, dass die kleine Stadt im Piemont bei Euch Menschen Bardonecchia heißt. Und wenn der Papi gebadet hat, seine Siebensachen endlich ausgepackt und die meisten davon in die Waschmaschine gewandert sind, dann sitzen wir gemütlich, still UND gespannt mit ihm zusammen in der Bärenrunde und er erzählt uns Genaueres.

Freilich, einer von uns war wie immer in Papis großem Urlaub dabei und könnte ebenfalls alles erzählen: Butzi-Bärchen ist als Talisman der treueste Radtouren-Begleiter, den der Papi sich vorstellen kann. Was haben die beiden nicht inzwischen alles gemeinsam er- und überlebt!

Nun schon seit vielen Jahren gehört Bardonecchia zu Papis bevorzugten Urlaubszielen. Man kann nämlich von dort aus mit dem Fahrrad relativ leicht in große Höhen hinauffahren, und zwar auf Strecken, auf denen sich erstens, kein Fußwanderer durch engagierte Breitreifenradler gestört fühlt und zweitens, gewöhnlich nur wenige andere Menschen zu sehen sind. Na ja, über seine ureigene Philosophie des Radfahrens wird Euch der Papi vielleicht mal gesondert berichten. Jedenfalls ist ihm wichtig, dass ich hier extra betone, dass er bisher fast alle seine großen Radreisen mit einem Bergfahrrad unternommen hat, das unter anderem mit Schutzblechen, Licht, Seitenständer und Gepäckträger reisetauglich ausgerüstet ist. War das jetzt extra genug? Ach ja, und genau wie ich findet der Papi im Übrigen, dass die vielen Militärwege und -straßen in den Alpen erst(mals) mit einem Bergfahrrad sinnvoll genutzt werden!

Aber gleich vorweg, die Wegstrecke zum Colle Sommeiller, von der ich Euch heute Näheres berichten will, – die ist einst aus ganz anderen Gründen entstanden. Wie auch immer, ich empfehle Euch ganz eindringlich, diese faszinierende Tagestour bei nächster Gelegenheit mal selbst zu unternehmen! Und ich verspreche Euch ziemlich hoch und heilig: Wenn Ihr gesund seid und es wirklich wollt, dann schafft Ihr es auch tatsächlich! Voilà, in seinem öffentlichen Diavortrag „Berge und Bike. Alpen-Radtouren (Aosta-, Susatal, Gardasee)“ hat der Papi vor vielen Jahren salopp gesagt: „Ein Problem könnte allenfalls in der Weglänge – runde 30 Kilometer bergan – liegen.“

Ein echter Ausgangspunkt: das Portal
des Mont-Cenis-Eisenbahntunnels
(Foto: K. Weise, wikipedia.de)

Mit Bryan unterwegs – nun geht’s also endlich an den Start. Der erfolgt wie erwähnt in der knapp 3.300 Bewohner zählenden Gemeinde Bardonecchia, die tief im Westen der italienischen Provinz Piemont nahe an der italienisch-französischen Grenze liegt. Die Tour hat am nordöstlichen Rand Bardonecchias einen echten Ausgangspunkt: das mächtige Portal des Mont-Cenis-Eisenbahntunnels (kurze Hintergrundinformation vom Papi: Das ursprünglich 12,2 km lange, auch als Frejus-Eisenbahntunnel bezeichnete Bauwerk wurde zwischen 1857 und 1871 errichtet und war fast elf Jahre lang der längste Tunnel der Welt). Von diesem Portal aus führt Euch ein radfahrtechnisch zumeist eher leichter Weg mit anfangs maximal zwölf, später zwischen acht und zehn Prozent Steigung Richtung Hochgebirge (aufs Ganze gesehen beträgt die durchschnittliche Steigung nur rund 6,5 Prozent. Doch lasst Euch von dieser Zahl bloß nicht täuschen!). Zuerst seid Ihr sogar auf einer asphaltierten Provinzstraße unterwegs, die Euch von Bardonecchia (1.312 m, Hinweisschild „Rochemolles“) hinauf zu eben diesem Weiler (1.619 m hoch gelegen) bringt. Dann nehmt Ihr ein grobschottriges Werksträßchen der Elektrizitätswirtschaft unter die Räder, das Euch mit Hilfe der ersten neun Kehren zum Lago di Rochemolles in fast 2.000 m Seehöhe befördert. Das Sträßchen zieht am Ostufer dieses Stausees entlang und steigt dann zur Talweitung von Chatelan hinauf. Linkerhand könnt Ihr von dort das herrlich gelegene Rifugio Scarfiotti (2.156 m) und die Cascata di Fond erblicken, einen sehr schönen Wasserfall. Bis hierher herrscht an manchen Tagen zwar reger Ausflugsverkehr, aber die nun folgende Strecke ist inzwischen für Autos und Motorräder von Freitag bis Sonntag gesperrt (jeweils von 9.00 bis 17.00 Uhr, um genau zu sein).

Alles im grünen Bereich. Noch …

In 16 immer engen und meist staubigen Kehren geht es vom Abzweig zum genannten Rifugio Scarfiotti hinauf zum Pian dei Morti (2.420 m). Besonders hier – Ihr klettert langsam höher und höher und das Hochgebirge rückt näher und näher – fällt sicher auch Euch die unterschiedliche und zauberhafte Färbung der Gesteine auf. In dieser Gegend rastet der Papi jedes Mal an einem seiner absoluten Lieblingsplätze. Beim Serre Monte (2.609 m) kommt Ihr nun an einer Felsgrotte vorbei und – dann geht es kurz wieder bergab! Genießt bitte die sich anschließende gerade und ebene Strecke mit einer kleinen Holzbrücke in hochalpiner Umgebung. Denn es wird alsbald wieder so richtig knackig: „Die beiden nächsten Kehrengruppen sind wohl am stärksten den rohen Naturgewalten ausgesetzt, weshalb sie auch den schlechtesten Zustand der gesamten Strecke aufweisen“ (ein Zitat aus Papis Bibel, dem Großen Alpenstraßenführer aus dem Denzel-Verlag in Innsbruck, mittlerweile in der 24. Auflage erschienen). Und dieser Denzel etwas später: „Über eine Gruppe von 10 Serpentinen schraubt sich der Fahrweg zunächst auf kurzen Überresten eines Asphaltbelages, dann auf sehr grobem Schotter zu einem vegetationslosen Plateau hinauf.“ Na, und hier solltet Ihr noch mal ordentlich durchschnaufen: Denn erst nach einem letzten langen Anstieg in einer imposanten, stumm machenden Hochgebirgslandschaft steht Ihr endlich, endlich vor dem 2.991 m hoch gelegenen, kristallklaren bzw. tiefblauen Lac Sommeiller. Erst also eine riesige Steinwüste, dann ein kleiner See (und mit dem Lac Noir im Hintergrund sogar ein zweiter), rund 25,5 Bergkilometer vom Tunnelportal entfernt. Genau an dieser Stelle will ich Euch in Gedanken herzlich zu Eurer Meisterleistung gratulieren!

Nicht nur Heidis, auch Papis Welt sind die
Berge! Und langsam wird es hochalpin.

Auf dem Colle Sommeiller (wieder eine kleine Hintergrundinfo vom Papi: Der Pass wird logischerweise auch italienisch als Col de Sommeiller bezeichnet. Benannt sind Punta Sommeiller, Glacier Sommeiller etc. zu Ehren des italienisch-französischen Ingenieurs Germain Sommeiller, der von 1815 bis 1871 lebte und den Bau des von ihm konstruierten Mont-Cenis-Eisenbahntunnels geleitet hat, dessen Fertigstellung er jedoch nicht mehr erlebte) markiert übrigens eine erst vor wenigen Jahren errichtete Holzbarriere die Grenze zwischen Italien und Frankreich. Ihr könnt von dort auf einen nahen Hügel klettern und den Sommeiller-Gletscher betrachten, oder richtiger, dessen traurige Reste. Folgendes sollt Ihr noch wissen: Am Rande der großen, von Menschenhand planierten Ebene stand einst das Rifugio Ambin und Hunderte von Euch Menschen frönten dem Sommerskilauf auf dem Sommeiller-Gletscher. Seinerzeit ließ sich die privat betriebene Mautstraße mit ganz normalen Autos befahren. Doch bereits kurz nach seiner Erbauung wurde das Rifugio mitsamt der Wetterstation in einem strengen Winter Mitte der 1960er Jahre bei einem Lawinenabgang zerstört. Das Sommerskigebiet wurde später offiziell aufgelassen, nur die Straße hinauf blieb bestehen. Das halb zerstörte und halb zerfallene Rifugio Ambin wurde jedoch erst von September 2004 bis Oktober 2005 vollständig abgetragen (dem Papi fehlt seitdem da oben etwas! Und leider hat man damals auch den steilen Weg zu den Resten der Liftanlage dem Geröll gleichgemacht. Das wiederum bedeutet, dass der Papi nun an dieser Stelle nicht mehr auf über 3.000 m Seehöhe radeln kann. Diese Spielverderber!).

Die feinen Striche in der Landschaft – das ist die Route! Rechts oben
liegt Euch dann endlich der Lac Sommeiller zu Füßen. Oder ihr ihm …

Liebe Freunde, ich wünsche Euch von Herzen, dass auch Ihr dieses unvergessliche Erlebnis unversehrt übersteht. Und ich gebe gerne zu, dass andere Radfahrer anders als der Papi über eine Befahrung schreiben, so zum Beispiel der unter Motorrad- und Radtourenfahrern bekannte Autor Rudolf Geser: „… Allerdings sollte man auch wissen, dass es sich bei der Sommeiller-Bergstraße um eine der schwersten Touren im Alpenraum handelt.“ Denkt an Denzel – und speziell vor der Rückfahrt an diesen Satz aus der neuesten Auflage der legendären Bergstreckenfibel: „Die Anzahl der teilweise stark ausgefahrenen Kehren beläuft sich auf insgesamt 47.“ Dann werdet Ihr vorsichtig abfahren und auch sicher wieder gut in Bardonecchia ankommen. Allzeit gute Fahrt wünscht Euch Euer Bryan!

PS: Im Internet könnt Ihr natürlich viele weitere Informationen über den Colle Sommeiller abrufen. Aber wie gesagt, wenn das Wetter schön ist, geht am besten selbst auf diese am Ende vielleicht doch etwas abenteuerliche Strecke. Erfahrungsgemäß ist der September die beste Reisezeit dafür. Letzter Hinweis: Immer am zweiten Sonntag im Juli solltet Ihr diese Strecke unbedingt meiden. Dann treffen sich am Colle Sommeiller nämlich rund 1.000 Motorräder zur „Stella Alpina“. Da gibt es ordentlich was zum Knattern!