Bryan empfiehlt TV: TeddyVision

Aufwühlend und unvergesslich: „Der Junge im gestreiften Pyjama“

Wie gern hätte ich Euch genau an dieser Stelle vor sagen wir zwei Monaten etwas von meinem lieben japanischen Teddybärenfreund Fukushi erzählt! Ich hätte den Fukushi geschildert, wie er die Welt und mich mit strahlenden Augen ansieht und dass er beim Radio aktiv ist. Und Ihr, liebe Freunde, hättet Euch zwar vielleicht über meine internationalen Kontakte gewundert, aber hoffentlich auch gefreut. Jetzt jedoch bleibt Euch wahrscheinlich entweder die Luft oder die Spucke weg – und mir ehrlich gesagt sogar beides! In diesen schweren Zeiten fällt es sicher auch vielen von Euch Menschen schwer, sich auf das wirklich Wesentliche im Leben zu konzentrieren, zum Beispiel die Liebe.

Hier stellt Euch mein Freund Fino das DVD-Cover vor.

Schwer ums Herz wird es Euch freilich auch dann werden, wenn Ihr Euch den Film, den ich heute empfehlen will, selbst anschaut. Doch lasst mich bitte zuerst sagen: „Der Junge im gestreiften Pyjama“ ist unter Euch Menschen ein sehr umstrittener Spielfilm! Ich kann also in der Tat für nichts garantieren und Euch nur wünschen, dass es Euch beim Rein- und Darübernachdenken so ergeht wie mir. Und die Grundlage des Films, nämlich der 2006 erschienene gleichnamige Roman des irischen Schriftstellers John Boyne (geboren am 30. April 1971 in Dublin), wurde in mindestens 32 Sprachen übersetzt und gilt im Allgemeinen bei Literaturkritikern wie Lesern als ausgezeichnetes Meisterwerk.

Mein Problem ist jetzt ganz einfach: Ich will Euch auf keinen Fall zu viel vom Inhalt dieser denkwürdigen, „zeitlosen Geschichte von verlorener Unschuld und gefundener Menschlichkeit“ (aus dem Text der DVD) verraten. Aber nun gar nichts mehr darüber zu schreiben, das wäre auch unangemessen und nicht fair. Jetzt, wo ich Euch vielleicht doch etwas neugierig gemacht habe …

Der in Ungarn und dort vorwiegend in Budapest gedrehte britische Film „Der Junge im gestreiften Pyjama“ (Originaltitel: The Boy in the Striped Pyjamas) entstand 2008 unter der Regie von Mark Herman. Erzählt wird die Geschichte des achtjährigen Bruno. Brunos Vater ist ein deutscher Führungsoffizier und wird Anfang der 1940er Jahre aus Berlin in eine ländliche Umgebung gen Osten versetzt. Ohne Freunde und aus der vertrauten Umgebung gerissen, durchstreift der verträumte, aber eigenwillige und neugierige Bruno seine neue Umgebung. Und lernt alsbald den hinter einem Stacheldrahtzaun lebenden und ihm recht seltsam erscheinenden Schmuel kennen, eben „den Jungen im gestreiften Pyjama“. Die beiden unterschiedlichen Jungs freunden sich an. Aber Brunos Mutter, die zunehmend am Wesen und am Unwesen ihres Ehemanns verzweifelt, will mit ihren beiden Kindern zurück nach Berlin. An seinem letzten Tag in der Fremde möchte Bruno zusammen mit Schmuel nach dessen Vater suchen. Bald trennt kein Stacheldraht mehr die beiden Freunde …

Asa Butterfield als Bruno in „Der Junge im gestreiften Pyjama“ (Foto: Walt Disney)

Eure Filmkritiker überschlugen sich in ihrer Ablehnung, jedenfalls zum Teil. So stand im Mai 2009 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Dieser Film ist eine Frechheit. Ein Schlag ins Gesicht für jeden, der geglaubt hat, es gebe eine Grenze beim Umgang des Kinos mit dem Holocaust, eine Schwelle, die das historisch Belegte von der reinen Spekulation trennt.“ (Na, jetzt wisst Ihr ja doch viel genauer, worum es in diesem Film und in Wirklichkeit geht … Das obige und die folgenden Zitate sind bei Wikipedia nachzulesen.) Und Harald Eggebrecht schrieb im selben Monat in der Süddeutschen Zeitung: „Dabei versucht Mark Herman […] seine Protagonisten so behutsam, unspektakulär und aufmerksam wie möglich in Szene zu setzen, Überdrehungen zu vermeiden, schrille Töne, Grausamkeiten und Brutalitäten meist nur anzudeuten oder elliptisch zu vermeiden. Dennoch schleicht sich […] eine Art milde Kitschigkeit ein, die unrettbar verstimmt und distanziert.“

Ganz auf meiner Linie liegt dagegen Stefan Volk vom film-dienst: „Der Junge im gestreiften Pyjama ist ein ergreifender, aufwühlender, nie rührseliger Film, der sich dem Holocaust auf eine irritierend naive, zärtliche Weise annähert und gerade dadurch dessen perverse Banalität offenlegt.“ Und die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) begründete ihr „Prädikat besonders wertvoll“ unter anderem mit einigen unnötigen Fremdwörtern: „Es ist das große Verdienst der Macher dieses Films, die Visualisierung der schwer zu transponierenden Vorlage zu wagen, nicht nur wegen der Holocaust-Thematik, sondern auch wegen der ungewöhnlichen Sicht aus der Perspektive eines kleinen Jungen. […] Ein wichtiger und lobenswerter filmischer Beitrag wider das Vergessen – einfühlsam, bewegend und spannend anzusehen!“

Der Teddy im gestreiften Pyjama? – NEIN,
ich hab das feine Heine-Hemd vom Papi an!

Auch die vielen amazon-Rezensionen zeigen dem Papi und mir, wie unterschiedlich die Menschen auf diesen Film reagieren. Nur drei kurze Auszüge, zum Teil redaktionell bearbeitet (ein Dankeschön hierfür an den Papi!): „Ich persönlich finde die filmische Umsetzung furchtbar.“ „Jenen, die regelmäßig marschieren, heute wieder, im Zeichen des Hakenkreuzes, sollte man diesen Film Tag und Nacht vorspielen. Und zwar so, dass sie nicht wegschauen können. Jedem, der selbst Kinder hat, muss sich beim Ansehen dieses filmischen Meisterwerkes das Herz in der Brust schmerzhaft verkrampfen. Man kann nur weinen […]“ „Die tragische Geschichte wird einfühlsam erzählt. Das naive Weltbild der beiden Protagonisten wirkt wie ein Prisma, das die Ereignisse verklärt, und gemahnt zugleich an die zahlreichen Aussagen der Zivilbevölkerung nach dem Kriege, nichts von diesen Einrichtungen gewusst zu haben. An eine griechische Tragödie erinnern die beteiligten Figuren, gefangen in ihren Verhaltensmustern, Marionetten gleich.“

Euer Bryan hat ehrlich gesagt große Angst, dass der Darsteller des Bruno durch die Dreharbeiten seelischen Schaden genommen haben könnte. Dieser kleine Schauspieler mit den magischen Augen ist wahrhaft faszinierend, weil in seiner Rolle dermaßen überzeugend. Es ist der am 1. April 1997 in Islington, London geborene Asa Butterfield (Asas deutsche Stimme spricht übrigens der ebenfalls 1997 geborene Lukas Schust). Auch der Darsteller des kleinen Schmuel soll natürlich erwähnt werden, es ist Jack Scanlon (geboren am 6. August 1998 in Canterbury, deutsche Synchronstimme: Ben Hugo). Doch diese Frage muss ich auf jeden Fall stellen: Darf man einem zur Drehzeit elf- bzw. neunjährigen Jungen so viel Leid zumuten? Für den Papi und mich macht es jedenfalls schon einen großen Unterschied, ob die wesentlichen Aspekte einer „unglaublichen“ Horrorgeschichte völlig frei erfunden wurden oder – wie in diesem furchtbaren Fall menschlicher Grausamkeit! – auf millionenfache Weise tatsächlich stattgefunden haben.

Seit Monaten wird die Miramax-DVD „Der Junge im gestreiften Pyjama“ bei amazon für nur fünf Euro angeboten. Das ermutigt Euch hoffentlich, Euch bald ein eigenes Urteil über meine Empfehlung zu bilden. Denkt bitte dabei an folgende Worte von John Boyne, der sein Buch als Mahnung und als Botschaft verstanden wissen will: „Wenn du dieses Buch zu lesen beginnst, wirst du früher oder später an einem Zaun ankommen. Zäune wie diese existieren überall.“