Mensch des Monats

Hier kollert es gewaltig!

„Wer sagt, dass ich heut 70 werd’?“

Manch einer von Euch mag das für widersprüchlich halten: Letzte Woche noch schreibe ich über den Wahlspruch Mehr sein als scheinen, heute über Dagmar Koller. Euer Bryan weiß sehr gut, dass diese Unterhaltungskünstlerin nicht nur in ihrer österreichischen Heimat polarisiert. Ich für meinen Teil finde, Österreich wäre ohne sie ein großes Stück ärmer. Oder wie ein Fan kürzlich schrieb: „Sie ist ein leuchtender Stern am österreichischen Künstlerhimmel!“ Ihr solltet jedenfalls keinen Koller kriegen, wenn ich jetzt zur Koller komme!

Geboren wird Dagmar Koller am 26. August 1939 in der Kärntner Landeshauptstadt Klagenfurt/Celovec (damals Hauptstadt des Reichsgaus Kärnten). Sie hat einen drei Jahre älteren Bruder; nach der Scheidung der Eltern wächst sie meist bei der Mutter und in ärmlichen Verhältnissen auf. Nach dem Studium an der Wiener Akademie für Musik und darstellende Kunst beginnt Kollers Bühnenkarriere an der Wiener Volksoper. Schnell wird die Künstlerin über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt. So feiert sie in Franz Lehárs romantischer Operette Das Land des Lächelns 1964 in Hamburg große Erfolge. Ebenfalls 1964 bereist sie mit einer Tournee der komischen Operette Wiener Blut zum ersten Mal die USA und Kanada.

Später spielt Dagmar Koller in vielen großen und kleinen Musicals, etwa in My Fair Lady, West Side Story, Der Mann von La Mancha und Sweet Charity. 1975 ist sie in Wien im Musical Das Lächeln einer Sommernacht die Bühnenpartnerin der unvergleichlichen Zarah Leander. Mit einer großen Gala nimmt die Koller 1999 Abschied von der Wiener Volksoper (damals, also wohlgemerkt ein paar Monate vor ihrem 60. Geburtstag, entstand das Bild oben links).

Ihre langjährige Fernsehkarriere begann mit der Operette Königin einer Nacht. Im ORF, also dem Österreichischen Rundfunk, moderierte sie zahlreiche TV-Sendungen. Die Portraitreihe Hallo, wie geht’s? war sicher die beliebteste davon. Hier plauderte sie auf die berühmte Wiener Art mit prominenten Publikumslieblingen und zeigte diese und sich von ihrer besten Seite. Durch viele Tourneen in den USA, Japan und Europa festigte Dagmar Koller ihren Bekanntheitsgrad. Im Animationsfilm Shrek 2 – Der tollkühne Held kehrt zurück lieh sie 2004 in der österreichischen Version der Guten Fee ihre Stimme (was in Deutschland Angelika Milster tat). Im Jahr zuvor hatte sie im TV-Film Dinner for Two eine kapriziöse Dame gegeben. Einige Platten resp. CDs runden ihr künstlerisches Schaffen ab (das könnt Ihr wörtlich nehmen!).

Zwei österreichische Legenden: Dagmar Koller mit Ehemann Helmut Zilk

Nun ja, Euer Bryan kommt nun zum „privaten“ Teil: Im Juli 1978 heiratet die damals 38-Jährige den 51-jährigen Medienprofi und Journalisten Helmut Zilk. Der ist später (von 1984 bis 1994) Wiens inzwischen legendärer Bürgermeister. Ende 1993 verliert Zilk bei einem Briefbombenattentat Teile seiner linken Hand. Der ständige Medienrummel um Österreichs bekanntestes Ehepaar kennt kaum Grenzen. Ob es ihr manchmal nicht selbst zu viel wurde? Ein prägnantes Zitat aus wikipedia.de: „Das Bekenntnis des Paares, altersbedingt keinen Sex mehr haben zu können, brachte ihm viel Anerkennung für seine Offenheit ein. In diesem Zusammenhang betonte Koller jedoch die Bedeutung der Liebe für die Menschen.“

Nach 30 Jahren Ehe stirbt Helmut Zilk im Oktober 2008, nach zuletzt vielen gesundheitlichen Problemen. In einem Interview anlässlich ihres heutigen Geburtstages gibt Dagmar Koller freimütig zu: „Nach dem Tod meines Mannes bin ich psychisch zusammengebrochen. Aber ich habe mich wieder aufgerappelt. Mit Gottes Hilfe.“ Sie zelebriert ihre Ehe auch im Nachhinein: „Das war eben die große Liebe, die wir hatten. … Er war ein wunderbarer Mann. Mir war nicht eine Minute langweilig mit ihm.“ Ihren 70. Geburtstag verbringt sie nicht in Wien: „Ich werde dort sein, wo ich mit Helmut sehr glücklich war.“ Erst recht viel Theatralik gibt es bei Interview-Ende: „Ich hatte ein herrliches, wirklich erfülltes Leben. Wer wurde denn sonst so geliebt wie ich?“

„Sweet Charity“ 1970: Blonder geht’s nicht!

Da ist Euer Bryan nun bei der anfangs erwähnten Polarisierung angelangt. Die einen schätzen die begabte Allround-Künstlerin und werden von deren „Liebesgeschichte bis über den Tod hinaus im Herzen gerührt“. Die anderen finden „es zum Kotzen, dass sie sich ständig in den Vordergrund drängt. Auf jeder Hochzeit die Braut, auf jeder Beerdigung die Leiche.“ Hui, das ist richtig gemein. Ich aber sage Euch: Der Papi hat vor einigen Jahren die Dagmar Koller in Wien von Nahem erlebt. Sie war temperamentvoll, elegant, ehrlich, sympathisch, humorvoll und unterhaltsam. Sicher ist sie auch manchmal anstrengend, aber lieber das als langweilig. Diese Frau ist eine Schau! Auch aufgrund ihres Engagements wurde „Dagi“ übrigens über die Jahre zu einer Kultfigur der österreichischen Schwulenbewegung. Wie man sich als Schwulen-Ikone fühlt, verrät sie natürlich auch: „Wunderbar. Das sind die Menschen, die mich lieb haben, das spüre ich. Da bekomme ich Zuneigung. Seit 1971 bin ich so eine Ikone.“

Dagmar Koller nennt die 70 „eine schreckliche Zahl“. Ihr selbst auferlegtes Trauerjahr – nicht nur ihr Ehemann starb, sondern auch ihre Mutter – endet in zwei Monaten. Ab Ende Oktober will sie wieder öfter in die Öffentlichkeit: „Ich will wieder zurückkommen. Ich will ein Vorbild sein. Ich will eine Stil-Ikone bleiben“, sagt sie im erwähnten Interview mit dem „Kurier“. Mit dem Alter hat die kinderlose Society-Lady angeblich keine Probleme: „Innerlich fühle ich mich wie 55. Wenigstens wird im Alter die Welt immer schöner, weil die Augen schlechter werden.“

Wandlungsfähig, vielseitig:
die Koller im Jahr 1990

So unüberlegt wie diese ist leider auch manche ihrer „politischen“ Äußerungen. So diskutiert Wien derzeit über einen Helmut-Zilk-Platz. Da schlagen die Wogen hoch. Die Koller will den Albertinaplatz umbenennen und partout nicht den Rathausplatz. Eine Umwidmung des Dr.-Karl-Lueger-Rings vor der Wiener Universität lehnt sie ebenfalls ab: „Um Gottes Willen nicht. Der hat doch die größten Verdienste gehabt.“ Fatal: Das sagt sie ausgerechnet über einen der bekanntesten und glühendsten Antisemiten Österreichs! Jeder Teddybär würde sich für so eine Äußerung schämen! Vielleicht hat ja mein aus Österreich stammender Freund Serafino eine salomonische Lösung parat: „Warum nicht gleich ganz Wien in Zilk umbenennen? Das wäre doch ein schönes Geschenk für meine liebe Dagi!“

PS: Die 2004 erschienene Autobiografie von Dagmar Koller heißt „Jetzt fängt’s erst richtig an“ und kostet derzeit 9,65 Euro. Alle verwendeten Fotos stammen von der offiziellen Künstler-Website www.dagmar-koller.at.