Biss vom Bärenbankerl WortklauBÄR

Adel verzichtet – ein Franke auf Entzug

Wahrscheinlich wissen bisher die wenigsten von Euch, dass ich manchmal und mit voller Absicht Bäron Bryan von Andergast genannt werde. Aus gegebenem Anlass habe ich mich vorgestern mit dem Papi und mit „Freibär Serafino von und zu Butziberg“ über abhandengekommene Doktortitel im fränkischen Landadel unterhalten. Nach der Tagesschau begann ich mit den beiden folgendes Gespräch:

Für diesen Biss vom Bärenbankerl
ziehe ich mich mal besser warm an …

„Die Tages-Sau ist seit Längerem dieselbe, ich kann es nicht mehr hören. Für mich ist es einfach undenkbar, mich ohne Quellenangabe mit fremden Federn zu schmücken. Sicher, ich höre vielen Teddys und einigen Menschen sehr gut zu, ich lese relativ viel und will mir schließlich aus fremden Gedanken sehr gerne meine eigenen machen und was draus lernen. Aber wenn ich zum Beispiel vorhätte, eine umfangreiche Doktorarbeit zu verfassen, also ehrlich: Da würde ich doch garantiert jede Quelle sorgfältig aussuchen und noch sorgfältiger zitieren, großes Bärenwort. Und das bin ich schließlich seit ewigen Zeiten vom Papi so gewohnt! Anderenfalls käme ich mir als Heuchler, als Hochstapler, als Ehrloser, als Krimineller und ich weiß nicht als sonst was vor! Papi, Du hast doch auch mal eine Diplomarbeit geschrieben, wie war das denn bei Dir?“

„Lieber Bryan, meine Diplomarbeit hatte drei Teile. Nach den ersten beiden war ich des ständigen Zitierens und der dauernden Suche nach den wahren und guten Quellen ziemlich leid. Da erfand ich für den abschließenden Teil einfach drei Personen – aber was heißt ‚erfand‘: Ich nahm drei reale und liebenswerte Persönlichkeiten meines damaligen Lebens und erfüllte sie mit meinen eigenen Überlegungen und mit manch fremdem Gedankengut. Diese drei redeten dann wie gute Freunde miteinander und nur in den Fußnoten stand geschrieben, von wem bestimmte Texte in Wirklichkeit stammten. Das hat mir großen Spaß gemacht, ich war halt praktisch schon damals eine Art ‚Geisterschreiber‘. Was da aber grad in einem Teil der deutschen Politik abgeht, das sind erstens Anstand und Glaubwürdigkeit und geht zweitens auf keine Kuhhaut. Es sei denn, diese Kuh wäre so groß wie das herrliche Frankenland. Ein Praktikant im Verteidigungsministerium fragte neulich: ‚Wo ist denn der Kopierer?‘, und die Antwort war: ‚Auf Truppenbesuch in Afghanistan‘. Aber das ist ehrlich ein geklauter Witz.“

Jetzt geriet unser natürlich nur heute so genannter Freibär Serafino von und zu Butziberg in Rage: „Grad war dieser adelige Jemand noch eine Lichtgestalt für viele von Euch Menschen. Und nun ist er so klein wie ich! Die Menschen reden plötzlich von ermogelt und ergoogelt, von abgekupfert und verschleiert, von Lügenbaron, Betrug, Ehrvergessenheit, gebrochenem Ehrenwort, verlorenem Vertrauen und vernichteter Glaubwürdigkeit, von Unanständigkeit und Unehrlichkeit, von Witzfigur, instabiler Größe und einer Mischung aus Geschick, Dreistigkeit und Größenwahn. Aber diese Mischung will und will immer noch nicht zurücktreten. Man müsste einen guten Zwerg finden, der IHN endlich überzeugt – oder soll etwa ich mal bei ihm anrufen? Vielleicht hilft das am Ende.“

Der Papi ergänzte: „Für mich ist Unverzeihliches passiert. Über den dreisten Diebstahl geistigen Eigentums lässt sich unter gewissen Umständen noch streiten (es ist Papis Überzeugung, dass die Gedanken frei sind, Anm. von mir). Aber offensichtlich die Wissenschaftlichen Dienste unseres Bundestages auszunutzen, dieses ständige Abstreiten (‚Vorwürfe sind abstrus‘) und nur zugeben (‚gravierende handwerkliche Fehler‘), was eh schon klar geworden ist …, sein peinliches Herumlavieren und Herumschwadronieren – da bin ich ja schon wieder bei der Kuhhaut. Bei alldem ist fast schon logisch, dass so ein Freiherr, wie der Freibär bekanntlich bei uns Menschen genannt wird, nicht etwa seine Anhänger und Gegner, seine Universität, seinen Doktorvater und überhaupt alle Betroffenen um Entschuldigung bittet, sondern sich der Einfachheit halber gleich selbst ent-schuldigt. Bryan, Du hast doch dazu schon mal was geschrieben, nicht wahr (dass der Papi auch immer so gut Bescheid weiß!)? Auf jeden Fall kann der Ertappte sich jetzt seinen Doktortitel sonst wohin schmieren, wenigstens DAS dürfte ja kein Problem sein bei der Frisur …“

Hat auch mit Bärlis Brille den vollen Durchblick: Serafino teilt aus!

An dieser Stelle unterbrach ich den Papi: „Schlechte Wissenschaft und Täuschungsabsicht muss man aber doch auch unterscheiden. Ist der smarte Edelmann vielleicht einfach zu blöd für wissenschaftliches Arbeiten gewesen? Dafür genauso wie dagegen spricht natürlich die schiere Häufigkeit, mit der seine Fehler passiert sind … Hat ihn vielleicht ein Ghostwriter reingelegt, der mit dem Klo-Job möglichst schnell fertig werden wollte? Ist dem nach Anerkennung süchtigen Baron (Hinweis: ‚Baron‘ ist ursprünglich ein französischer Adelstitel und in Deutschland die Höflichkeitsanrede für einen Freiherrn, Anm. diesmal vom Papi) sein ererbter Titel ‚Freiherr‘ nicht gut genug gewesen, musste es unbedingt und unter allen Umständen auch noch der Doktortitel sein? Steckt etwa der große familiäre Druck vieler Generationen dahinter? Das Pech auf ihrer Seite haben in jedem Falle alle, die in ihren wissenschaftlichen Arbeiten mit dem allerbesten Gefühl aus jener fränkischen Doktorarbeit zitiert haben …!“

Am Ende des Gesprächs waren wir uns, wie übrigens ziemlich oft, einig: SO kommt DER uns nicht davon, wir entschuldigen nichts Unverzeihliches, denn das können wir gar nicht. Reputation ist ein Fremdwort, das er bei uns für immer verloren hat. Zum Rücktritt hätten wir einige Ratschläge … Wir befürchten ernsthaft, dass der hier vom kleinen Bärenbankerl aus kräftig Gebissene auch in anderen und wesentlich wichtigeren Angelegenheiten den Überblick verloren und kläglich versagt hat (aber ich will auf www.hallohierbryan.de, wie Ihr wisst, liebe Freunde, nur wenig Politisches besprechen). Fraglich bleibt für uns Teddys, ob er nicht zuerst ihm untergebene und auch andere Menschen geopfert hat und dann seinen Doktortitel. Unsere Bärenrunde rät Euch jedenfalls: Nehmt diesem Manne gar nichts mehr ab – nur noch sein politisches Amt. Allemal nachdenklich stimmte uns Serafinos Schlusswort: „Mit so viel Geltungsdrang im Herzen würde ich an SEINER Stelle jetzt sehnsüchtig darauf warten – und im Hintergrund darauf drängen –, dass mir möglichst schnell eine Universität einen Ehrendoktortitel überreicht. Aber nicht etwa eine fränkische, sondern eine internationale. Zum Beispiel die große Nangarhar University im afghanischen Dschalalabad. Dschalalalala, harr, harr …“

PS 1: Das mit der Kuhhaut will ich Euch noch genauer erklären. Im aktuellen Duden Band 11 Redewendungen ist nachzulesen: „Die Wendung geht auf die mittelalterliche Vorstellung zurück, dass der Teufel einem Sterbenden dessen Sündenregister auf einem aus Kuhhaut gefertigten Pergament vorhält. Es zeugt von besonderer Schlechtigkeit, wenn die Übeltaten noch nicht einmal auf einer großen Kuhhaut Platz finden. In der Regel wurden (nämlich, Einfügung von mir) nur die Häute von Kälbern und Schafen für die Herstellung von Pergament verwendet.“

PS 2, ein Nachtrag vom 1. März 2011 vormittags: Der Serafino hat gestern Abend doch tatsächlich zum Telefonhörer gegriffen. Zufällig bekam ich Folgendes mit: „… Aber Herr Baron, über 23.000 Unterschriften, die vielen gleichlautenden Einschätzungen der Professoren, das Zeitungsinterview mit Ihrer Kollegin aus dem Bildungsministerium – und Sie sagen mir jetzt, allein meine Bärenstimme hätte Sie letztlich überzeugt … das sollte auf jeden Fall besser unter uns bleiben, Ihre Glaubwürdigkeit ist schließlich eh schon mehr als nur erschüttert … Viele Grüße an Ihre adeligen Schlossbären und gute Nacht!“